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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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glaubte.
    Rainald dachte an den langen Krieg gegen Mailand und das neue Zerwürfnis, das er der Kirche beschert hatte, indem er Paschalis zum Papst machte. War er auf dem richtigen Weg? Es gab niemanden, den er um Rat hätte fragen können. Er vermisste die Streitgespräche mit dem Archipoeta.
    Den ganzen Tag über hatte Rainald immer wieder an eine
Geschichte denken müssen, die sich zuzeiten des Erzbischofs Gunthar in Cöln ereignet hatte. Ein Blitz war durch das Dach des Doms geschlagen und hatte einen Priester am Petrusaltar getötet. Auch der Vikar am Dionysiusaltar und ein Laie am Marienaltar waren durch den Blitzschlag umgekommen. Welchen Frevel die drei begangen hatten, der Gottes Strafgericht auf ihre Häupter herabrief, war nicht überliefert. Aber konnten sie größere Schuld auf sich geladen haben, als er es getan hatte? Was würde geschehen, wenn die Drei Könige in den Dom gebracht wurden?
    »Fürsterzbischof?«
    Erschrocken fuhr Rainald herum. Hinter ihm stand der schwarze Mönch. Er hatte ihn nicht kommen hören. Der Kerl bewegte sich lautlos wie eine Katze!
    »Anno hatte eine Tochter, Herr. Was wird mit ihr geschehen? Sie ist am Hof der Kaiserin, und sie ist mittellos, wenn Ihr Annos Lehen einem anderen Gefolgsmann überlasst.«
    Rainald hatte Mühe, sich an das Mädchen zu erinnern. Er war ihr nur einmal begegnet. »Man wird sie mit einem niederen Amtmann oder Ministerialen verheiraten. Im Hofstaat der Kaiserin zu dienen war schon weit mehr, als ihr bei ihrem Stand zukam. Ich glaube nicht, dass man sie dort länger dulden wird, wenn sie mittellos ist.«
    »Aber Ihr hattet Anno versprochen, für das Mädchen zu sorgen. Euch gegenüber war der Sennberger immer treu. Hat er nicht Besseres verdient?«
    Der Erzbischof winkte ab. »Toten die Treue zu halten ist nichts als eine sentimentale Geste. Was schert mich das Mädchen? Und wer sagt, dass sie nicht glücklich sein wird, wenn sie verheiratet ist. Sie wird Bälger in die Welt setzen und ihre Bestimmung erfüllen.«

    »Ihr seid also nicht bereit, Euer Versprechen zu erfüllen?«
    Rainald musterte den Vermummten. »Willst du mir drohen?« Im schräg einfallenden Abendlicht war die untere Hälfte der Maske zu erkennen, die der schwarze Mönch trug. Er war ein Mann, der Furcht einflößte. Seit sie zusammen ritten, beobachtete der Erzbischof fasziniert, wie andere Menschen auf den Mönch reagierten. Die meisten waren erleichtert, wenn er sich abwandte.
    »Wenn dir so viel an dem Mädchen gelegen ist, dann nimm den Platz ihres Vaters ein. Ich möchte auf deine Dienste nicht verzichten. Du sagst, du seiest schon einmal für mich gestorben und damit von allen Gelübden entbunden. Schwöre mir erneut die Treue, und ich will für Clara sorgen.«
    »Was geschieht dann mit dem Mädchen?«
    »Sie wird Mündel in einer reichen Kaufmannsfamilie in Cöln. Ich werde eine fürstliche Aussteuer für sie bereitstellen, und sie mag wählen, wen sie ehelichen will.«
    »An dem Tag, an dem ich sehe, wie die Truhe mit ihrer Aussteuer gepackt wird und du ein Dokument erstellst, das Clara von Sennberg als die Besitzerin dieser Güter nennt, an dem Tag werde ich meinen Treueschwur erneuern und mit dir ziehen.«
    »So sei es.« Es war besser, diesen Mann in seiner Nähe zu behalten, dachte Rainald. »Wir werden schon morgen aufbrechen und nach Süden reiten. Der Kaiser braucht uns.«
    »Nach Süden?«
    »Die Heiligen Drei Könige sind in Sicherheit, das Reich nicht. Das Feiern müssen wir den anderen überlassen. Ich wäre nicht Erzkanzler, wenn ich dem Kaiser in der Not
nicht zur Seite stünde!« Das hörte sich gut an. Dasselbe würde er morgen den Vertretern der Stadt und der Stände erklären. Vielleicht würde er auch eine Handvoll Ritter mit diesen Worten gewinnen, die ihn auf der gefahrvollen Reise in den Süden begleiteten.

     
     
    »Es begab sich am dreiundzwanzigsten Tage des Juli im Jahre des Herrn 1164, dass die Heiligen Drei Könige und die Reliquien der Märtyrer Felix und Nabor auf der nahe dem Ufer gelegenen Insel Werthchen bei Cöln angelandet wurden. Die Bürgerschaft hatte sich festlich gekleidet versammelt und gab den Heiligen ihr Geleit entlang der verfallenen Stadtmauer bis hinauf zum Afratore, wo sich der Zug westwärts, zur Kirche Sankt Maria ad gradus wandte. Von dort aus folgte die jubelnde Menge der Prozessionsstraße, die geradewegs zum hohen Dom führte, wo die kostbaren Reliquien vom Domdechanten Philipp von Heinsberg in Empfang genommen wurden.

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