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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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zugedacht. Es war noch ein Tag bis Cöln. Ein Tag, der alles klären musste. Aber welchen Anteil sollte er haben?
    Hartmann beschloss, wieder aufzubrechen. Als er vor der Schenke stand, zögerte er und überlegte, ob er die Kniproderin aufsuchen sollte. Der Spielmann hatte ihm den Weg beschrieben. Es wäre ein Fußmarsch von fast einer Stunde. Nachdenklich blickte er die Gasse hinauf. Es schien wärmer geworden zu sein. Oder hatten Feuer und Bier so nachhaltig die Kälte aus seinen Gliedern vertrieben? Er sah zu den Eiszapfen an der Dachtraufe. Kristallene Tränen fielen in den Schnee. Der Fluss! Es blieb keine Zeit!
    Eilig lief er zum Ufer hinab. Die Eisfläche schien lebendiger als noch vor zwei Stunden. Bis zum Ufer hörte man jetzt das Schrammen der Schollen, die unter dem Eispanzer trieben. Wenn er sich nicht beeilte, hinüberzugelangen, würde er nicht mehr nach Cöln kommen. Kein Fährmann würde es wagen, ihn zwischen treibenden Eisschollen überzusetzen. Er würde das Dreikönigsfest verpassen.
    Ohne weiter an die Gefahr zu denken, lief Hartmann auf das Eis hinaus. Das Beben des trügerischen Grundes war so stark, dass er immer wieder stolperte. Fast hatte er das westliche Ufer erreicht, als er etwas spürte. Es war wie ein Zwang, ein Hexenruf oder ein anderer heidnischer Zauber. Wider jede Vernunft musste er stehen bleiben und sich umdrehen. Und da sah er ihn. Deutlich zeichnete sich im Mondlicht seine dunkle Gestalt gegen das verschneite Ufer ab. Der schwarze Mönch!
    Obwohl sie mehr als zweihundert Schritt voneinander entfernt standen, hatte Hartmann das beklemmende Gefühl,
Augen unter der Kapuze funkeln zu sehen. Der Ritter blinzelte, wie nach dem Erwachen aus einem bösem Traum. Als er erneut zum Ufer blickte, war der Mönch verschwunden.
     
    Ein infernalisches Getöse ließ Hartmann aus dem Schlaf aufschrecken. Benommen tastete er um sich. Dann erinnerte er sich. Das Bauernhaus am Rhein!
    Noch immer dröhnte ein Lärm, als würden Riesen den gefrorenen Fluss mit Felsbrocken bewerfen. Er stieß die Tür auf. Nasskalte Nacht umfing ihn. Der Mond war vom Himmel geflüchtet. Zögerlich kroch Dämmerlicht über den Damm am jenseitigen Ufer.
    Der gefrorene Fluss war durchfurcht von dunklen Rissen. Das Eis war in Bewegung geraten. Große Platten mahlten aneinander, zersplitterten oder schoben sich mit Getöse übereinander.
    Hartmann starrte staunend auf das Spektakel, bis er spürte, dass er in seiner Eile nicht einmal Stiefel angezogen hatte. Er wandte sich um und sah Spuren, die von der Vordertür des Bauernhauses zum Fluss führten. Der schwarze Mönch. Hartmann hatte es gewusst, er war von hier gekommen.
    Als der Ritter in die kleine Schlafkammer zurückkehren wollte, lehnte Ingerimm in der Tür. »Zeit zu gehen«, flüsterte er unter seiner Maske. »Es ist noch weit nach Cöln …« Seine Stimme erstickte in einem Hustenanfall.
    »Ich weiß, wer …«, setzte Hartmann an.
    »Später!«, unterbrach ihn der Vermummte barsch. »Geh die Pferde satteln. Ich besorge uns Wegzehr.« Versöhnlicher fügte er hinzu: »Nicht hier. Nicht vor Zeugen.«
    Als sie das Bauernhaus verließen, griffen rote Finger über
den Horizont. Halb hinter tiefen Wolken verborgen, tauchte die Sonne den Schnee in ein blasses Rot.
    Sie waren schon ein gutes Stück vom Bauernhaus entfernt, als Ingerimm sein Pferd zügelte. »Nun, was weißt du?«
    »Du bist der schwarze Mönch, und der Mönch ist Heinrich.«
    »Liegt Heinrich nicht im dritten Grab in einem verlorenen kleinen Tal in Galiläa?«
    »Nur er hätte sich um Claras willen durch einen Eid binden lassen. Aber eins begreife ich nicht. Warum die Maskerade als Mönch? Du liebst sie doch, warum offenbarst du dich nicht, Ingerimm?«
    »Weil Heinrich lange tot ist! Es gibt ihn nicht mehr, den Ritter, der zu den Templern gehen wollte, um für die Ideale des Christentums zu streiten. Seine Seele ist gestorben, vergiftet von Verrat, der Philosophie Zenons und dem Intrigenspiel Rainald von Dassels. Und sein Körper … Willst du das wirklich wissen?« Der Alte schob seine Kapuze zurück. »Sieh ihn dir an!«
    Der Schädel war verbrannt und von blassbrauner Haut überzogen, die seltsam verzerrt wirkte. Es gab keine Ohren mehr, nur noch Löcher, und als Ingerimm seine Ledermaske abnahm, musste Hartmann zur Seite blicken, weil selbst die grässlichsten Bilder von Teufeln, die er auf Altären und in Handschriften gesehen hatte, noch menschlicher waren als dieses Antlitz. Die Nase war nicht

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