Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
bedenken, dass das Wissen, das du einforderst, mein Leben vergiftet hat. Bist du sicher, dass du den letzten Schritt tun willst? Diesmal sollst du die freie Wahl haben.«
»Du verstehst es, deine Geschichte geheimnisvoll anzupreisen, Alter. Ich fürchte mich nicht vor Worten.«
»Nicht?« Ingerimm hatte zu seinem spöttischen Ton der letzten Tage zurückgefunden. »Dabei solltest doch gerade du, als Verseschmied, um die Macht der Worte wissen. Das Ende meiner Geschichte hat jedenfalls einen Preis. Du musst mir schwören, dass du mir in dieser Nacht folgen wirst, wohin immer ich auch gehe.«
»Ist das eine neue Probe?«
»Nein, deine Proben hast du bestanden. Doch hast du mir gestern auch gezeigt, dass du Beweise brauchst. Du sollst sie haben. In dieser Nacht noch!«
»Werden wir etwas Verbotenes tun?«, fragte Hartmann misstrauisch.
»Etwas, das uns den Kopf kosten kann. Ein Wissender zu sein hat seinen Preis. Wenn du mir in dieser Nacht folgst, dann wirst du morgen dein Seelenheil retten.«
»Was ist mit dem dritten König? Wer ist er?«
»Das zu hören kostet dich deinen Eid.«
Hartmann zögerte. Der dritte König … Aus allem, was Ingerimm erzählt hatte, ließ sich kein Hinweis ableiten, wer er sein mochte. Mehr als eine Meile ritten sie schweigend nebeneinander. »Ist es etwas Gotteslästerliches?«, fragte der Ritter schließlich bedrückt.
»Der Teufel selbst hätte es sich nicht perfider ausdenken können.«
»Du hättest es dem Erzbischof sagen müssen!« »Er hätte es nicht hören wollen. Die Drei Könige stärken Cöln. Tausende Pilger kommen in die Stadt. Schon jetzt nennen sie es das heilige Cöln.« Ingerimm lachte. »Ahnungslose Schafe!«
»Und warum willst du ausgerechnet mir dieses Geheimnis anvertrauen?«
»Weil ich alt bin und schon lange jemanden suche, der meine Bürde in Zukunft tragen wird. Es sollte ein junger Mann sein, der aufrichtig an die Ideale des Rittertums glaubt, der mutig und neugierig ist und der vor allem Aussichten hätte, bis zum Kaiser zu gelangen, falls er sich entschließt, den bösen Spuk von Cöln zu beenden. Deshalb die Proben. Ich wollte sicher sein, dass du der Richtige bist. Doch die letzte Wahl musst du selbst treffen! Willst du mein Vermächtnis antreten?«
»Sprich!«
LUDWIG
»Für mehr als ein Jahr folgte ich dem Erzbischof und diente ihm, so wie ich es geschworen hatte. Es war eine schwere Zeit. Der Kaiser musste aus Italien fliehen. In Deutschland wollte er Frieden zwischen Rainald und Konrad stiften, um sobald wie möglich mit Heeresmacht nach Italien zurückzukehren. Woche um Woche, Monat um Monat reiste ich mit dem Reichskanzler von Dassel, war in Flandern, Burgund und in der Normandie, am englischen Königshof, in den reichen Städten Süddeutschlands und in schäbigen Gasthäusern an gottverlassenen Wegen. Rainald benutzte mich, um Angst zu verbreiten. Viele Geschichten rankten sich um seinen schwarzen Mönch, die wenigsten waren wahr. In dieser Zeit wurde mir Ricardo zum Feind, denn er vermutete, dass ich ihn bald in der Gunst des Erzbischofs ausstechen würde.
Insgeheim begann ich meine eigene Suche. Ich spürte den Schriften des Josephos nach, um das Geheimnis des dritten Königs zu ergründen. Doch das Schicksal hatte mir einen anderen Weg bestimmt, und das Verhängnis begann, als Rainald Ende September des Jahres 1165 nach Cöln kam, wo in Anwesenheit des Kaisers seine Weihe zum Erzbischof vollzogen werden sollte.«
30
Wieder blickte Ludwig auf den Weg hinter sich. Wann immer er einen Reiter hörte, schlug er sich ins Gebüsch. Sie mussten im Kloster schon gemerkt haben, dass er geflohen war. Gewiss waren bereits Verfolger unterwegs. Irgendeinen Mönch hätte man vielleicht davonlaufen lassen. Aber nicht ihn! Dabei wäre er im Kloster geblieben, wenn nicht … Nein, Gott hatte ihn auf eine zu harte Probe gestellt. Sollten sie ihn nur holen. Selbst zu sterben war besser, als so zu leben, diese Qualen zu leiden.
Ludwig verließ den Weg und ging ein Stück seitlich durch den Wald. Angefangen hatte es bei der Christmesse im letzten Jahr. Seine Blicke waren durch die Kirche geschweift. Er war nur selten mit aller Aufmerksamkeit beim Gebet. Dazu war er nicht geschaffen.
Sankt Martinus war ein Doppelkloster. Nur eine Meile entfernt gab es eine zweite Niederlassung, in der Nonnen lebten. Ihr Abt Gerardus stand beiden Klöstern vor. Manchmal feierten beide Klöster gemeinsam eine Messe in der großen Kirche im Dorf, unten am Fluss. So war
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