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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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übermorgen werde ich nach Lodi reisen müssen, um das Konzil vorzubereiten, das dort abgehalten werden soll. Also, es ist beschlossen, dein Knappe wird der vierte Ritter sein. Und eure große Aufgabe wartet bereits auf euch.«

4

    Rother streckte sich im Sattel. Nie zuvor hatte er so etwas gesehen. Er konnte es kaum fassen … Es war ein Anblick, der ihm schier das Herz zerreißen wollte. Der Hang jenseits der Hügelkuppe war nur noch ein schwarzes Feld, das aus verkohlten Baumstümpfen bestand. Ein ganzer Wald war vom Krieg verschlungen. Weiter unten im Tal stieg dichter Rauch aus den Kornfeldern auf. Bis zum Horizont, wo sich die hellen Mauern Mailands erhoben, war das Land zur schwarzen Wüste geworden. Die einzigen Farbtupfer in der Aschenebene waren die Waffenröcke der Fußknechte und Ritter, die ungerührt das Werk der Zerstörung vollendeten.
    Wie konnten sie Gottes Gaben nur so mit Füßen treten?
So viele Jahre an Arbeit sinnlos vernichten! Zu oft hatte Rother bei der Ernte geholfen, um nicht zu wissen, was diese Zerstörung bedeutete. Hunger und Armut für eine ganze Generation!
    »Lasst uns hier eine Rast einlegen«, ertönte die dunkle Stimme Annos hinter ihm. »Wir werden erst bei Einbruch der Dämmerung weiterreiten.«
    Der Knappe glitt aus dem Sattel und stieg ein Stück den Hügel hinab, während seine Kameraden sich im Schatten einer verfallenen Mauer niederließen. Keiner von ihnen machte Anstalten, ihn zurückzurufen. Seit er an der Tafel des Fürsterzbischofs gesessen hatte, wurde er von allen mit mehr Respekt behandelt, und man ließ ihn ziehen, wenn er allein sein wollte. Jedenfalls solange er seine Pflichten nicht vernachlässigte.
    Ohne darauf zu achten, dass er seinen Waffenrock mit kaltem Ruß verschmierte, lehnte Rother sich an einen der verkohlten Stämme. Von einem anderen Hügel, knapp eine Meile entfernt, hallten dumpfe Axtschläge herüber. Soldaten schlugen dort die Rebstöcke eines Weinbergs nieder. Bisher hatte Rother nur Gerüchte darüber gehört, dass Gutshöfe verbrannt worden waren und man Herden fortgetrieben hatte. Er hatte das als den Alltag des Krieges hingenommen. Doch das, was hier geschah, übertraf seine Vorstellung bei weitem. Er erinnerte sich, wie er einen Wandermönch einmal von den sieben Plagen hatte reden hören, die Ägypten heimsuchten. So musste das Land nach dem göttlichen Strafgericht ausgesehen haben. Rother dachte an den Kaiser, jenen hochgewachsenen, rotbärtigen Mann, den er in Pavia von Ferne gesehen hatte. Gewiss wusste Friedrich gar nicht, was hier in seinem Namen
geschah. Sonst hätte er diese sinnlose Zerstörung sofort beendet. Es war doch sein Land, auch wenn die Lombarden rebellierten. Niemand wütete so auf seinem eigenen Boden! Man musste ihm berichten, was hier geschah!
    Rother vernahm Schritte hinter sich. »Alles in Ordnung?« Heinrich lehnte sich neben ihm an den Baum.
    »Der Kaiser muss wissen, was hier vor sich geht!«, stieß der Junge aufgeregt hervor. »Die Waffenknechte da unten stehlen ihm sein Land und die Einkünfte, die er daraus erhalten wird, wenn erst wieder Frieden ist. Wir müssen sie aufhalten. Wir können doch nicht …« Rother hielt inne, als er Heinrichs traurigen Blick bemerkte.
    Der bärtige Ritter schüttelte langsam den Kopf. »Der Kaiser weiß, was hier geschieht. Er hat Pavia verlassen und mit den Reichsfürsten nur zwei Meilen von hier ein Lager aufgeschlagen. Das ist nah genug, um den Geruch der Feuer zu riechen.«
    »Aber welchen Sinn hat das alles?«
    »Mailand muss dafür büßen, dass es dem Kaiser an Stärke fehlt.«
    Rother blickte Heinrich verwundert an. »Friedrich ist der mächtigste Herrscher der Christenheit. Er ist …«
    »… er ist ein Mann, der mindestens fünftausend Bewaffnete zu wenig ins Feld geführt hat, um eine Stadt wie Mailand zu bezwingen. Deshalb verwüstet er das Land und besetzt alle Straßen, die zur Stadt führen. Er wird Mailand aushungern. Er ist entschlossen, die Stadt zu vernichten, weil sie schon zum zweiten Mal gegen ihn rebelliert. Einer der Reichsfürsten hat dazu gesagt: Wenn deine Hand verwundet ist und sie brandig wird, dann musst du die Hand abschlagen, selbst wenn es die Hand sein sollte, mit der du
dein Schwert führst! Tust du es nicht, so wird es dich den ganzen Arm oder vielleicht sogar das Leben kosten.«
    Für eine Weile sahen die beiden schweigend zu den brennenden Feldern hinab. Das Beispiel, das Heinrich genannt hatte, schien einleuchtend. Doch konnte man

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