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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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worden, und Pavia zählte zu den treuesten Verbündeten des Kaisers. Aber was bedeutete schon der Treueschwur eines Lombarden!
    Hinter Anno drängten einige grölende Waffenknechte durch die Tür einer Taverne. Der Sennberger beschleunigte seine Schritte. Sein Herz hämmerte wie die Hufe eines trabenden Hengstes. Während des Feldzugs vor Crema hatte es zwei Versuche gegeben, den Kaiser durch gedungene Meuchler ermorden zu lassen. Doch Gottes schützende Hand ruhte auf dem Herrscher. Einige seiner Ritter hatten weniger Glück gehabt. Erst vor zwei Tagen hatten sie einen aus dem Stadtgraben gezogen, einen Dolch im Rücken.
    Anno bog um eine Ecke und sah keine zwanzig Schritte vor sich die hoch aufragende Masse der Basilika San Michele. Misstrauisch musterte er die Eingänge zu den Gassen und Hinterhöfen, die das letzte Stück Wegs vor ihm säumten.
Von Norden zogen Wolken auf, die im letzten Abendlicht rötlich glühten. Mit jedem Augenblick wurden die Schatten in den Gassen länger.
    Der Sennberger zwang sich zur Ruhe. Wie würde es aussehen, wenn er im Eilschritt auf das Portal der Kirche zuhielt? Seine Linke senkte sich auf den Knauf seines Schwertes. Über ihm flog ein Fensterladen auf. Mit einem Satz war der Ritter bei der Hauswand und drückte sich gegen den bröckelnden Putz.
    Eine schrille Frauenstimme rief etwas über die Gasse hinweg und erhielt Antwort aus einem gegenüberliegenden Giebelfenster. Schwatzende Weiber! Anno lachte freudlos. Was für ein Hasenherz er doch war! Er sollte nicht so viel auf die Worte des verdammten Mönchs geben! Vor einer Stunde hatte der Archipoeta ihn im Heerlager vor der Stadt aufgesucht und ihm mitgeteilt, der Erzbischof wünsche ihn nach der Abendmesse in der Basilika zu empfangen. Gleichzeitig hatte der Mönch ihn gewarnt, darauf zu achten, dass ihm niemand auf dem Weg zur Basilika folge. Der Fürsterzbischof erwarte ihn auf der Empore des Chors.
    Mit langen Schritten hielt Anno auf das Portal zu. Hunderte von steinernen Figuren kauerten in den Nischen an der Vorderfront der Basilika. Das Abendlicht ließ die gehörnten Gestalten mit Teufelsfratzen und die Heiligen mit ihren bärtigen Gesichtern noch bedrückender erscheinen. Mit gehetztem Blick trat er durch das weite Tor.
    Im Innern empfingen ihn Dunkelheit und Kühle. Anno vermochte niemanden zu erkennen, keinen Geistlichen, keinen Ritter aus dem Tross des Erzbischofs, der ihn erwartete. Sein Herz schlug noch ein paar Takte heftiger in seiner
Brust, doch da nahm er hoch auf der Empore einen mächtigen Schatten wahr. Eilig schritt er die hölzernen Stufen hinauf.
    Rainald von Dassel trat ihm lächelnd entgegen und bedeutete ihm mit einer beiläufigen Geste, diesmal nicht vor ihm niederzuknien. »Wir haben wenig Zeit, Anno«, sagte er dann. »Hast du deine drei Ritter gefunden?«
    Anno nickte. »Heinrich und Ludwig stehen Euch zu Diensten, Exzellenz.«
    »Und der vierte Ritter?«, fragte der Erzbischof, aber es war keine wirkliche Frage, die er gestellt hatte, denn als Anno etwas erwidern wollte, hob er rasch die Hand. »Ich habe schon meine Wahl für den vierten Ritter getroffen. Es soll dein Knappe Rother sein.«
    »Aber Rother ist noch ein halbes Kind!« Erst als er die Worte ausgesprochen hatte, begriff Anno, dass ihm eine Ungeheuerlichkeit unterlaufen war. Er hatte Rainald, dem zweitmächtigsten Mann des Reiches, widersprochen.
    Der Erzbischof schien sich nicht daran zu stören. Er wandte sich um und hob die Stimme, als befände sich noch eine dritte Person auf der Empore. »Der Kaiser findet Gefallen daran, sich mit jungen Helden zu umgeben. Dein Knappe scheint mir auch überaus bescheiden zu sein. Eine Tugend, die ich besonders schätze, weil man sie kaum noch findet. Als der Junge an meiner Tafel saß, war er zu zurückhaltend, um auch nur ein Wort über seine Heldentat zu verlieren. Doch ich bin sicher, die Kunde von seinem verwegenen Ritt ist sogar schon zum Kaiser gedrungen.«
    Der Sennberger sah immer noch verwirrt aus. »Aber es dürfte Euch doch ein Leichtes sein, die Aufmerksamkeit des Herrschers auf Rother zu lenken, wenn Ihr es wünscht.«

    Der Erzbischof drehte sich wieder zu Anno um. Diesmal klang seine Stimme barsch und bestimmt. »Du verstehst mich nicht, Anno von Sennberg. Es geht darum, dass Rother ohne mich an den Hof gelangt. Nur dann wird er vielleicht Gelegenheit haben, Dinge zu hören, die nicht für meine Ohren bestimmt sind. Ich bin viel zu oft nicht in der Nähe des Kaisers. Schon

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