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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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sehen konnte.
    Es war so still auf dem Friedhof, dass Rother sein Blut in den Ohren rauschen hörte. Eine Ewigkeit wagte er kaum zu
atmen. In der Ferne jaulte ein Hund. Wieder Stille. Eine der Wachen auf der fernen Mauer rief etwas. Rother blickte zu den treibenden Wolken am Himmel. Dann hielt er es nicht mehr aus. Er richtete sich auf. Der Junge war noch da. Doch gerade, als Rother sich zurücksinken lassen wollte, schlich der Anführer der Kinderbande davon und verschwand hinter einem Grab. Was für ein Glück! Er hatte ihn nicht verpasst!
    Rother schulterte seinen Brotbeutel und folgte dem Jungen. Geduckt lief er über den Platz vor der Kirche und kauerte sich hinter den ersten Grabstein. Ein paar Schritt weiter lag eine kleine Senke. Dort wucherte dichtes Dornengestrüpp. Vorsichtig bahnte sich der Schmugglerjunge einen Weg hinab.
    Rother kroch aus seinem Versteck, wagte aber nicht, sich aufzurichten. Auf dem Weg zur Senke gab es so gut wie keine Deckung mehr, und wenn sich der andere noch einmal umsah, würde er unweigerlich entdeckt werden. Er konnte den anderen jetzt nicht mehr sehen. Stumm zählte Rother bis zwanzig, dann kroch er weiter vorwärts.
    Am Rand der Senke verbarg er sich hinter einer Statue, der man die Hände und Füße abgeschlagen hatte. Bleich schimmerte das marmorne Frauengesicht im Mondlicht. Bewundernd strich Rother über ihre vollkommenen Wangen. Sie waren glatt wie ein Rheinkiesel und … Der Kopf kippte zur Seite! Man hatte ihn nur lose aufgesetzt. Mit einem dumpfen Geräusch fiel er zu Boden. In der Stille kam ihm der Aufprall laut wie ein Paukenschlag vor. Ängstlich drückte sich der Knappe tiefer ins Gestrüpp. Dornen stachen durch seine Hosen und zerrten an seinem Hemd.

    Durch die Ranken konnte er sehen, wie der fremde Junge zum Rand der Senke zurückschlich. In seiner Rechten funkelte ein Dolch.
    Rother tastete nach seiner Waffe. Hätte er nur sein Schwert mitgenommen!
    Vom anderen Ende der Senke erklang ein leises Wiehern. Ein Schatten kam hinter einer Gruft hervor. Seine Stute!
    Der Mailänder verharrte. Er war kaum noch drei Schritt von Rother entfernt. Als er das Pferd erspähte, schob er den Dolch in seinen Gürtel zurück. Einen Augenblick sah er sich noch misstrauisch um, dann stieg er wieder in die Senke hinab.
    Erleichtert atmete Rother auf. Dafür würde seine Stute einen ganzen Sack Hafer bekommen, wenn er zurückgekehrt war. Kurz überlegte er, ob er sie in das Versteck zurückbringen sollte. Doch sofort verwarf er den Gedanken wieder. Er durfte den Mailänder nicht aus den Augen verlieren. Wenn er ihm nicht bis zum versteckten Eingang in die Stadt folgte, würde er ihn allein niemals finden! Vorsichtig bog er die Äste des Dickichts auseinander und kroch weiter bis zum Rand der Senke. Der Mailänder war verschwunden! War das eine Falle? Hatte der Kerl sich vielleicht irgendwo zwischen die Büsche gekauert und wartete, ob ihm jemand folgte?
    Rother blieb reglos liegen. Angespannt lauschte er in die Finsternis. Irgendwo hinter der Stadtmauer Mailands schlug eine Glocke. Dann war es wieder totenstill. Unruhig sah sich Rother nach den Gräbern um. Plötzlich spukten ihm all jene unheimlichen Geschichten im Kopf herum, die man sich zu Hause an den langen Abenden erzählt hatte.
Geschichten von Wiedergängern, weißen Frauen und bösen Flussgeistern.
    Er ballte die Hände zu Fäusten, damit sie aufhörten zu zittern. Vorsichtig richtete er sich auf. Nichts regte sich. Ob sie in Lodi schon bemerkt hatten, dass er nicht seinen Pflichten nachkam? Bestimmt! Anderthalb Tage war er jetzt schon fort. Er könnte nicht mehr zurück, ohne sein Gesicht zu verlieren. Hatten andere Helden auch Angst? Rother fühlte sich mulmig. Er musste da jetzt durch! Behutsam begann er sich durch das Gestrüpp in die Senke hinab vorzuarbeiten.
    Rother war schon fast bis zum Boden der Senke gelangt. Immer noch rührte sich nichts. Dicke Wolken zogen vor den Mond. Bleich wie Skelette schimmerten Grabplatten zwischen dem Gestrüpp. Das Knacken von Ästen ließ Rother herumfahren. Er sah einen Hasen zwischen den Ranken verschwinden.
    Er atmete erleichtert auf und schritt weiter voran, als ihm plötzlich der Boden unter den Füßen fortgerissen wurde.
    Noch bevor ein Laut über seine Lippen kam, schlug er auf harten Steinplatten auf.
    Benommen blickte er sich um. Über ihm war der Nachthimmel zu einem engen, mit Dornenranken verhangenen Quadrat zusammengeschrumpft. Ein Grab? War er etwa in eines der

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