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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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einen Sinn aus den verschwommenen Buchstaben herauszulesen. Doch bald schon legte er den Brief resignierend auf den Tisch zurücke. Er blickte zu Rother. »Weißt du, was sie geschrieben haben?«
    Unglücklich schüttelte der Junge den Kopf. Er hätte heulen mögen. Wie viel Leid hatte er für diese Nachricht auf sich genommen! Und nun war alles vergebens!
    »Wir sollten den Kaiser darüber unterrichten, dass die Mailänder ein Friedensangebot geschickt haben.« Er bedachte
Rother mit einem kurzen Blick. »Und ich würde gern hören, was der junge Mann über seine Abenteuer in Mailand zu erzählen hat. Ich denke, das würde auch meinen Bruder interessieren. Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, diesen sinnlosen Krieg endlich zu beenden.«
    »Beenden?«, entgegnete der Erzbischof mit zorniger Stimme. »Habt Ihr schon vergessen, wie lange der letzte Frieden mit Mailand gehalten hat? Entweder wir vernichten die Empörer, oder es wird niemals Ruhe unter den lombardischen Städten geben! Wir müssen an Mailand ein Exempel statuieren. Nur so können wir die Aufstände ein für alle Mal ersticken.«
    »Ihr gestattet, dass ich anderer Meinung bin.« Der Pfalzgraf sprach leise und mit einem provozierend spöttischen Unterton. »Ich erwarte Euch zur Abenddämmerung beim Kaiser. Die Vorfälle dieses Tages sollten ihm zu Gehör gebracht werden.« Mit diesen Worten gab er seinen beiden Gefolgsleuten einen Wink und verließ das Zelt, ohne den Erzbischof noch eines Blickes zu würdigen.
    »Ihr dürft gehen!« Der Erzbischof nickte Ludwig und Heinrich zu.
    Rother atmete erleichtert auf. Auch er hoffte, sich endlich entfernen zu dürfen, als sich die Hand des Erzbischofs schwer auf seine Schulter legte. »Wir haben noch zu reden. Jeden anderen hätte es Kopf und Kragen gekostet, wenn er sich so wie du aus dem Feldlager davongeschlichen hätte, doch ich denke, wenn du heute Abend vor dem Kaiser von deinen Taten berichten wirst, so werden sie dir den Ritterschlag einbringen.«
    Der Knappe blickte verlegen zu Boden. Nichts hatte er sich sehnlicher gewünscht, doch nun konnte er keine Freude
mehr empfinden. Seine Ritterwürde war durch Verrat an Angelo erkauft. Aber was hätte er tun sollen? Es schien, als habe sich das Schicksal gegen ihn verschworen.
    »Du wirkst bedrückt, mein Junge.« Der Erzbischof ließ sich mit einem Seufzer auf dem hohen Lehnstuhl hinter dem Tisch nieder. »Manchmal ist Herrschaft eine Last, die schwerer wiegt als ein ganzer Berg, den man auf den Schultern davonzutragen versucht. Knie nieder, Junge. Ich werde dir die Beichte abnehmen.«
    Rother blickte den Erzbischof überrascht an. Der Archipoeta hatte doch behauptet, dass Rainald von Dassel gar kein Recht hatte, die Beichte einzufordern. Das Gesicht des Erzkanzlers wirkte wie versteinert. Nur seine Augen schienen noch lebendig. Ein Schimmer wie Fieberglanz glomm in ihnen.
    »Es wird gewiss einen Grund gegeben haben, der dich dazu trieb, aus dem Lager fortzulaufen. Wenn du beichtest, ist mein Ohr Gottes Ohr. Meine Lippen werden versiegelt sein. Niemand wird jemals erfahren, was du mir nun sagst. Doch lasse nichts aus, auch wenn es dir noch so unbedeutend erscheinen mag. Und wenn du mich in der Beichte belügst, so ist es, als wäre diese Lüge in Gottes Antlitz gesprochen!« Der Erzbischof hatte bei den letzten Worten einen Ton angeschlagen, der Rother einen Schauer über den Rücken jagte. Ohne zu zögern kniete der Junge vor dem hohen Stuhl nieder.
     
    Anno strich der alten Amme das zerzauste Haar aus der Stirn und stand dann ruckartig auf. »Sie ist tot. Ich werde den Mönch holen.«
    Clara starrte in die gebrochenen Augen der Toten und
konnte nur mühsam ein Schluchzen unterdrücken. Das ganze Leben lang hatte die Amme sich um sie gekümmert, während ihre Mutter nie für sie da gewesen war. Ihre Mutter hatte sich nie verziehen, ihrem geliebten Gatten nur eine Tochter geschenkt zu haben.
    »Ich dachte, sie würde niemals sterben. Sie war doch nie krank und … Warum jetzt, so plötzlich?«
    »Der Wein, den sie dem Erzbischof gebracht hat, war vergiftet. Und sie hat zuvor davon getrunken. Damit hat sie von Dassel das Leben gerettet.« Annos Tonfall verriet nicht, ob es ihm lieber gewesen wäre, Maria hätte sich nicht ungebührlicherweise am Wein des Erzbischofs bedient und Rainald hätte statt ihrer den Tod gefunden. »Auf jeden Fall wird ihr Tod nun immer mit unserem Namen und dem des Fürsterzbischofs in Verbindung stehen.«
    »Wie kannst du nur so

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