Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
alte Kammerfrau aufblicken. Vier Reiter kamen ins Feldlager und hielten unmittelbar vor dem Zelt des Erzbischofs. Anno führte sie an. Endlich war er zurück! Maria murmelte ein kurzes Gebet und wollte zum Zelt eilen, um ihren Herrn zu begrüßen. Doch als sie bis auf ein paar Schritte heran war, verharrte sie wieder. Was war sie nur für ein närrisches Weib! Ihrem Herrn wäre es gewiss peinlich, wenn sie vor aller Augen ihre Freude über seine Rückkehr zeigte. Außerdem hatte sie ihren Dienst zu tun, auch wenn die Hitze sie schier umbrachte. Aber vielleicht würde es ihr gelingen, den einen oder anderen Leckerbissen für ihren Herrn beiseitezulegen.
Aus dem Zelt des Erzbischofs klangen plötzlich laute Stimmen. Schon wieder ein Streit unter hitzigen Edelmännern! Das Wetter hier bekam den Rheinländern nicht, dachte sie niedergeschlagen. Daheim wurde nicht so viel gestritten. Zumindest nicht auf der Burg des Sennbergers, auf der sie fast ihr ganzes Leben verbracht hatte. Vielleicht lag es auch am Essen…
»Das also ist der Mann, der meinen Tod wollte!« Rother musterte den Ritter mit der Narbe auf der Stirn, von dem Ludwig ihm erzählt hatte. »Der Baron von Greven. Er hat den Spähtrupp zum Friedhof geschickt und ihnen den Befehl gegeben, nach Boten Ausschau zu halten, die sich bei Sankt Eustorgio aus der Stadt schleichen.«
»Boten?« Der stattliche Ritter, der neben dem Baron stand, trat ein Stück vor. Er hatte rotes Haar und war ein
wenig füllig. Seine dunklen Augen musterten Rother argwöhnisch. Rother hatte diesen Mann erst einmal gesehen. Es war der Pfalzgraf Konrad bei Rhein, der Bruder des Kaisers!
»Nun sprich schon, mein Sohn«, mischte sich der Fürsterzbischof ein. »Ich versichere dir, dass du nichts zu befürchten hast, solange du die Wahrheit sagst. Bist du der Überzeugung, dass der Baron von Greven dich ermorden lassen wollte?«
Rother räusperte sich. Er war sich darüber im Klaren, was es bedeutete, gegen einen Baron, der vom Bruder des Kaisers unterstützt wurde, eine so schwerwiegende Anschuldigung zu erheben. Wenn er jetzt einen Fehler machte, dann würde er noch vor Sonnenuntergang wieder an einem Strick hängen. Plötzlich war Rothers Mund so trocken, als habe er eine Handvoll Mehl geschluckt. Die Hitze im Zelt des Erzbischofs war wirklich unerträglich. »Ich war in Mailand und …«
»Der Kerl lügt! Niemand schafft es, nach Mailand hineinzukommen, geschweige denn wieder hinaus«, ereiferte sich der Baron. »Er ist doch noch ein Kind! Und was diese Verdächtigungen gegen mich angeht – es war meine Pflicht, den Kommandanten des nächsten Spähtrupps darauf aufmerksam zu machen, dass ich ein herrenloses Pferd bei Sankt Eustorgio gefunden hatte und sich dort vielleicht Spitzel des Feindes aufhielten!«
»Kennt Ihr diesen Jungen, Baron von Greven?«, fragte der Pfalzgraf Konrad streng und schaute seinen Lehnsmann an.
»Und wie seid Ihr an sein Pferd gekommen?«, wandte Ludwig ein, der seine Erregung nicht länger unterdrücken
konnte. »Schildert uns, wie sich ein Herr von Stand als Pferdedieb verdingt!«
»Das Pferd haben meine Männer eingefangen. Es streunte vor der Stadt, und was den Jungen angeht, so habe ich ihn nie zuvor gesehen. Diese Straßenräuber verdrehen die Tatsachen und …«
»Mich nennt niemand ungestraft einen Räuber!« Anno griff zu seinem Schwert.
»Genug!« Der Erzbischof trat vor den Sennberger. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. »In meinem Zelt wird nur mit Worten gestritten.« Er wandte sich wieder dem Pfalzgrafen zu. »Und was diese beiden verfeindeten Parteien angeht, so wird wohl nur Gott allein wissen, wer lügt und wer die Wahrheit spricht.«
»Rother ist kein Lügner.« Heinrich war der Einzige der drei Ritter, der während des Wortgefechts bislang geschwiegen hatte. »Er hat einen Brief, der seine Worte beweist. Die Konsuln von Mailand haben ihm eine Botschaft an den Kaiser mitgegeben.«
Der Erzbischof zog die Brauen zusammen, so dass sich auf seiner Stirn eine steile Falte bildete. »Wo ist dieser Brief?«
»Ich …« Rother wünschte sich, er hätte das Zelt nie betreten. Jetzt war es endgültig um ihn geschehen! »Ich habe geschworen, den Brief dem Kaiser persönlich zu geben.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen, mein Junge. Als Erzbischof entbinde ich dich von deinem Eid, so dass du dich nicht versündigst. Wenn du mir den Brief gibst, dann ist es so, als hättest du ihn dem Kaiser persönlich überreicht.« Der Fürsterzbischof
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