Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
über den träge dahinfließenden Fluss geworfen wurde.
Es war hier ein wenig kühler als im Heerlager. Die Bäume hinter ihm wisperten leise im Wind, der sanft über die Ufer strich.
Die Begegnung mit Clara hatte ihn verwirrt. Sie war keine Frau. Es gab nichts an ihr, was ihm das Blut zwischen die Schenkel trieb. Und doch war es ein gutes Gefühl gewesen, sie in den Arm zu nehmen. Friedlich und … Er suchte vergeblich nach den richtigen Worten. Es war leicht, die Dinge, die man mit Händen fassen konnte, mit dem richtigen Namen zu benennen. Bäume, Schwerter, Pferde. Aber dieses Gefühl … Er musste es verbannen! Sein Leben lag klar und deutlich vor ihm, und da war kein Platz für ein Mädchen!
Vielleicht war es nur diese schwüle Sommernacht. Man sagte, dass die warme, klebrige Luft das Fieber brachte. Der Ritter kniete nieder. Wenn er nur lange genug betete, würde er Clara schon aus seinen Gedanken verbannen. Beten hatte bisher immer geholfen, wenn er etwas in seinem Leben hatte vergessen wollen.
8
»Ah, der Herr von Reuschenberg.« Es war, wie Rother sich gedacht hatte. Der Archipoeta saß am Ufer der Adda, warf Steinchen in den Fluss und leerte einen Weinkrug.
»Im ganzen Lager habe ich dich schon gesucht, Mönch. Ich brauche deine Hilfe!«
»Meine Hilfe?« Der Archipoeta lächelte vieldeutig. »Was kann ein unbedeutender Diener Gottes für einen jungen Edlen schon tun, der vom Kaiser selbst den Ritterschlag empfangen hat.«
»Ich muss beichten.«
Der Dichtermönch hob eine Braue. »Ich dachte, dass ein junger Mann von Stand nur noch bei einem Erzbischof zur Beichte geht. Man hört da …«
»Darum geht es ja gerade. Ich habe mich versündigt. Ich habe einen Eid gebrochen und gegen einen Baron falsches Zeugnis abgelegt.«
»Ich sehe schon, Ihr versteht es, Euch wie ein Mann von Stand zu benehmen, Herr von Reuschenberg. Ihr habt schnell gelernt.«
»Willst du mir zuhören?«
Der Mönch schüttelte den Kopf. »Ich habe schon zu viel über Lug und Trug gehört. Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich wünschte, ich könnte wieder die Straße mein Heim nennen, so wie einst …«
»Du willst mir die Beichte verweigern?« Rother sah den hageren Mönch ungläubig an.
»Vielleicht ist das die letzte Freiheit, die mir geblieben ist? Was wollt Ihr tun? Zum Erzbischof gehen und Euch beschweren? Er wird sicher größtes Interesse daran haben, was Ihr mir so dringend in der Beichte anvertrauen wolltet.«
Rother wandte sich langsam ab. »Nun denn, wenn du mir nicht helfen willst, dann muss ich wohl …«
»Soll der Herr entscheiden, ob Ihr würdig seid, noch einmal dem Archipoeta zu beichten!«
»Du bist betrunken!«
Der Mönch lachte. »Leider noch nicht.« Er griff nach
dem Krug und nahm einen tiefen Zug. Mit einem Seufzer stellte er ihn zurück ins Gras, hob einen kleinen, flachen Stein auf und wog ihn prüfend in der Hand. »Es ist alles eitel«, brummte er verdrossen. »Das wäre doch ein Thema für ein frommes Lied.« Er drehte den Stein und zeigte ihn Rother. »Wenn er mindestens fünfmal über das Wasser hüpft, bevor er in den Fluten der Adda versinkt, dann ist es Gottes Wille, dass ich mir Eure Beichte anhöre. Wenn nicht, dann lasst mich in Ruhe.«
Noch bevor Rother etwas einwenden konnte, holte der Mönch aus und warf in flachem Bogen den Stein. Viermal hüpfte er in weiten Sprüngen über den Fluss, dann wurden die Abstände kürzer. Fünf, sechs, sieben … Mit dem zwölften Hüpfer verschwand er im Dickicht des anderen Ufers.
Der Archipoeta blickte auf seine Hand und dann wieder zum Fluss. »Beim Barte Petri! So etwas habe ich noch nicht gesehen. In den letzten Wochen habe ich hier wohl schon eine halbe Karrenladung voll Steine in den Fluss geworfen, aber es ist noch nie einer bis zum anderen Ufer gekommen!« Er schüttelte den Kopf. »Mir scheint, Gott liebt dich … Euch, Herr von Reuschenberg.«
»Lass den Unsinn! Können wir nicht wie früher miteinander reden? Ohne Herr und Ihr und all dieses Gewäsch? Ich hatte geglaubt, wenn ich erst einmal Ritter bin, dann wäre ich so wie die anderen edlen Herren, so …« Rother hob hilflos die Hände. Nichts hatte sich geändert. Nein, es war sogar schlimmer geworden. Ständig hatte er Angst, etwas falsch zu machen und bei den hohen Herren, die ihn in den letzten zwei Wochen eingeladen hatten, unangenehm aufzufallen. Gewiss lachten alle insgeheim über ihn, den Zwergenritter!
»Komm, knie nieder! Wird sicher recht ungemütlich auf den Steinen
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