Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Von wem sprichst du?«
»Ist dir denn nicht klar, wie sehr sich der Streit zwischen dem Pfalzgrafen Konrad und dem Erzbischof verschärft hat? Auch du hast dazu beigetragen. Es gibt viele in diesem Heerlager, die lieber heute als morgen in ihre Heimat zurückkehren
würden und die jedem Frieden mit Mailand zugestimmt hätten. Stünde nicht unser Erzbischof an der Seite des Kaisers, so hätten sie sich schon längst durchgesetzt. Ich weiß nicht, was den unnachgiebigen Zorn im Herzen Rainalds schürt. Doch solange er lebt, wird es keinen Frieden geben. Und du, Rother, gehörst zu seinen Vertrauten. Das allein reicht, um dir den Pfalzgrafen Konrad zum Feind zu machen und all die anderen, die sich um ihn scharen. Und es werden mit jedem Tag mehr.«
»Aber ich habe doch niemandem etwas getan!«
»Sei nicht so naiv, Rother. Du hattest eine Nachricht, die für die Hände des Kaisers bestimmt war, und du gabst sie vor Zeugen dem Erzbischof.«
»Ich hatte doch keine andere Wahl«, protestierte Rother.
»Ich weiß das, aber für andere, die so sehr in ihren Intrigenspielen gefangen sind, dass sie die Welt nicht mehr sehen können, so wie sie unser Herr in einfältiger Schönheit geschaffen hat, wird es so aussehen, als hättest du eine geschickte Intrige gesponnen, um die Botschaft deinem Herrn und nicht dem Kaiser zu überreichen. Sie werden dir Schwierigkeiten machen. Doch vertraue mir. In mir hast du nicht nur einen Beichtvater, sondern auch einen zuverlässigen Freund. Wann immer du in Gefahr gerätst, komm zu mir. Ich werde dir helfen.«
Rother wusste nicht recht, was er von den Worten des Mönchs halten sollte. Er glaubte auch nicht, bei Hof irgendwelche Feinde zu haben. Richtige Freunde hatte er allerdings auch keine. Alles war so anders geworden. Aber lag es nicht vielleicht an ihm? Er war der Fremde bei Hofe. Wenn er sich erst einmal an das Leben als Ritter gewöhnt hätte, dann würde auch alles andere besser werden. Der
Junge lächelte den Mönch an. »Ich werde mir alle Mühe geben, nicht so schnell schon wieder zur Beichte zu kommen.«
»Ein löblicher Vorsatz. Vergiss deine Buße nicht, und wenn du einsam bist, findest du in mir immer einen guten Zechgefährten.« Der Mönch grinste. »Jedenfalls solange du den Wein bezahlst.«
Rother strich über den flachen Geldbeutel an seinem Gürtel. »Ich weiß nicht, ob ich mir deine Freundschaft leisten kann, Mönch. Und das Trinken …«
»Du Philister«, schimpfte der Archipoeta in scherzhaftem Ton. »Kann man sein Seelenheil in Silberpfennigen messen? Und was das Trinken angeht, so halte ich mich nur an den weisen Euripides und kuriere mit Wein meinen Weltschmerz, so wie er es empfahl, als er sagte: Ein blinder Tor ist, wer im Rausch nicht lustig ist. Mein Herr erwartet, dass ich lustig bin, während auf dem Schlachtfeld Kinder verbluten.«
Einen Herzschlag lang wollte der Junge nachfragen, ob Euripides auch ein Mönch war, doch ein Blick auf sein Gegenüber ließ ihn schweigen. Der Archipoeta hatte streitlustig das Kinn vorgereckt, und in seinen Augen spiegelte sich nur mühsam unterdrückter Zorn. Innerhalb eines Atemzugs schien sich seine Stimmung vollkommen gewandelt zu haben.
»Scher dich davon, und schau dich unter den jungen Mädchen bei den Pferdekoppeln um! Das wird dich auf andere Gedanken bringen.«
Rother nickte stumm und war dankbar, der Gesellschaft des Archipoeta zu entfliehen. Ein Mönch, der einen zu den Lagerhuren schickte, um auf andere Gedanken zu kommen!
Was wohl gefährlicher für sein Seelenheil war? Gar nicht zur Beichte zu gehen oder dieses Geschäft ausgerechnet beim Archipoeta zu betreiben?
Rother lag in seinem Zelt und starrte die Stoffwände an. Die Gunst des Kaisers und des Erzbischofs hatten ihn zu einem reichen Mann gemacht. Zum Ritterschlag hatte der Kaiser ihm ein langes Kettenhemd, einen Helm und ein gutes Schwert mit silberbeschlagener Scheide geschenkt. Der Erzbischof war sogar noch großzügiger gewesen. Von Rainald von Dassel bekam er ein Zelt, einen Pferdeknecht und eine Magd. Obendrein eine wohlgefüllte Geldbörse, um sich standesgemäß einzukleiden und in Zukunft so auftreten zu können, wie es sich für einen Ritter geziemte.
Aber er hatte seinen Preis gezahlt. Die Beichte, die er dem Erzbischof hatte ablegen müssen, hatte eher einem Verhör geglichen. Selbst die kleinsten Kleinigkeiten hatte er Rainald zu Gehör bringen müssen. Zum Schluss hatte der Erzbischof ihm eingeschärft, was er dem Kaiser zu
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