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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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dem Kamin suchen. Aus einer der anderen Schlafkammern tönte immer noch lautes Schnarchen. Es war so finster, dass man kaum die Hand vor Augen sah.
     
    Gudrun hatte nicht lange gebraucht, um ihre Kleider zusammenzusuchen. Gemeinsam schlichen sie über den Hof zum
Stall. Der Schnee, der in der Nacht gefallen war, dämpfte ihre Schritte. Erst im Stall wagten sie es, ein Licht zu entfachen. Zufrieden sah Hartmann, dass seine Stute Esseilte gut versorgt war. Ingerimms Schlachtross war ein alter Rappe, der seine besten Tage offensichtlich schon hinter sich hatte. Er würde Gudrun gewiss keine Schwierigkeiten bereiten.
    Hartmann fühlte sich wie der Held aus einer seiner Epen. Es war, als rette er eine Jungfer vor einem Unhold, so wie Iwain und all die anderen Großen der Vergangenheit. Gudrun warf sich eine Pferdedecke über die Schultern. Ihr rotes Haar fiel in breiten Strähnen über die verfilzte Decke. Der Atem spielte in weißen Wölkchen um ihre Lippen. Hartmann lächelte. Mit ein wenig Glück würden sie für die nächste Nacht ein kleines Gasthaus finden. Dort müssten sie dann nicht mehr leise sein.
    Knarrend öffnete sich die Stalltür. Ingerimm trat ein. Er trug ein langes Kettenhemd und hielt ein blankes Schwert in der Hand. Hinter ihm drängten sich einige Knechte mit Spießen.
    Hartmanns Hand fuhr zum Schwertgriff.
    »Mach nicht noch mehr Dummheiten, Kerl!«, sagte Ingerimm in ruhigem Tonfall. So wie der heiße Atem aus dem runden Loch in der Mitte seiner Ledermaske stieg, erinnerte er mehr denn je an ein Ungeheuer. Der Alte trat zur Seite. Hinter ihm stand ein Diener mit gespannter Armbrust. »Ich warne dich, Hartmann. Gero ist ein ausgezeichneter Schütze, und er wird nicht zögern, dich zu töten, wenn du nach deinem Schwert greifst!« Er machte eine Bewegung in Gudruns Richtung. »Packt die Metze!«
    Hartmann warf sich zu Boden und zog blank. Gero hatte nicht geschossen, wie Hartmann erhofft hatte. Stattdessen
war er mit der Armbrust langsam seinen Bewegungen gefolgt. Der Knecht blickte zu seinem Herrn.
    »Bitte, ergib dich«, flehte Gudrun. Zwei der Knechte packten sie und zerrten sie aus dem Stall.
    Hartmann starrte auf die Armbrust. Warum hatte dieser Bastard nicht geschossen? Jetzt war es aussichtslos. Bevor er Deckung finden würde, hätte er einen Bolzen im Rücken.
    »Lass das Schwert fallen!«, rief Ingerimm.
    Drei Knechte mit Spießen und Heugabeln drangen auf Hartmann ein. Es war vorbei! Er gehorchte. Mit dumpfem Klirren fiel seine Waffe auf den gestampften Lehmboden.
    »Geh zum Feuer in der Halle und hol mir den glühenden Schürhaken!«, befahl Ingerimm ruhig dem Schützen.
    Hartmann wurde die Kehle eng. Was hatte der Alte vor? Wollte er Gudrun für ihre Untreue brandmarken?
    »Ich habe schon gestern nicht viel von dir gehalten, Hartmann von Ouwe, aber dass du ein elender Pferdedieb und Hurenbock bist, hätte ich nicht gedacht!«
    Grobe Hände packten seine Schultern und rissen Hartmann hoch. »Bringt ihn zu dem Block, auf dem das Holz geschlagen wird!«
    »Was habt Ihr vor? In Gottes Namen, Ingerimm!« Hartmann stemmte sich gegen die Knechte, doch es waren viel zu viele, als dass er etwas hätte ausrichten können. Er wurde durch das Tor des Stalls in den Schnee gezerrt.
    »Niemand würde sein Wort erheben, wenn ich dich einfach zu Tode prügeln ließe. Kommst in mein Haus, vergehst dich an meiner Kebse und willst mich bestehlen!« Der Alte spuckte in den Schnee. »Aber keine Sorge, ich habe mir etwas ganz Besonderes für dich ausgedacht, Lautenschänder!«

    Noch einmal versuchte Hartmann sich loszureißen. Doch es war aussichtslos. Es gab kein Entkommen mehr! »Verschont Gudrun! Ihr habt Recht, Ingerimm. Von dem Moment an, in dem ich Eure Halle betreten habe, hat sie mir gefallen. Ich habe sie mit Worten umgarnt und ihr zuletzt so die Sinne vernebelt, dass sie nicht mehr wusste, was sie tat.« Die Knechte zwangen den Ritter neben dem Hackklotz in die Knie.
    »Er spielte die Laute mit der rechten Hand«, erklärte Ingerimm kühl. »Und was dein ritterliches Gerede angeht, so wird es nicht verhindern, dass Gudrun bekommt, was sie sich verdient hat!« Der Alte lachte. »Holt Nägel!«
    Ein großer, vierschrötiger Kerl brachte eine Handvoll Hufnägel und einen schweren Hammer. »Seine Rechte!«, befahl Ingerimm.
    Der Armbrustschütze, den der Unhold Gero genannt hatte, packte ihn beim Arm. »Ihr dürft mich nicht verstümmeln! Ich bin von Stand und verlange, vor ein Adelsgericht zu kommen!«

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