Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
langen Feldzug. Mal waren es Pferde oder ein paar Silberpokale, ein anderes Mal kostbare Stoffe, eine Wagenladung Wein, prächtige Waffen oder Rüstungen. Zusehends schmolzen die Schätze und Güter dahin, die man nach Lodi geschafft hatte. Dem musste Rainald einen Riegel vorschieben, ohne dabei den Kaiser und seine Lehnsleute zu brüskieren.
    »Ihr müsst, Hoher Herr, in die Krypta hinabsteigen. Sofort!«, brachte Johannes unbeholfen hervor. Er verhielt sich
ungebührlich. Er kam Rainald zu nahe und stützte sich am Schreibpult ab, als trügen ihn seine Beine nicht mehr.
    »Was reitet dich, hier einfach so hereinzuplatzen und zu lallen wie ein Tor?«, fuhr Rainald ihn an..
    »Es ist ein … ein Unglück, eine …«, unfähig, die rechten Worte zu finden, rang der kleine Mönch hilflos die Hände. »Bitte! Ihr müsst es mit eigenen Augen ansehen.«
    Als sie auf den Hof der Pfalz heraustraten, wurden die beiden Männer von einem Regenschauer überrascht. Rainalds ohnehin düstere Stimmung verschlechterte sich noch weiter. Verärgert stellte der Erzbischof fest, dass die Kapelle der Pfalz nahezu verlassen war. Nur eine Handvoll Gläubige hatte sich vor dem Altar versammelt. Die meisten Ritter des Kaisers zogen es vor, ihren Sieg bei den Huren und Schankwirten zu feiern, und vergaßen, dass ihnen ihr Triumph allein durch Gottes Gnade gewährt worden war.
    Der Mönch führte Rainald in die kleine Seitenkammer, in der die kaiserliche Familie regelmäßig zur Beichte ging. Dort lag die verborgene Treppe zur Krypta der Pfalzkirche. Man hatte bei den Bauarbeiten vor zwei Jahren eine hohe, unterirdische Halle gefunden, die wohl noch aus heidnischer Zeit stammte, und sie in den Kirchenbau mit einbezogen. Sie war länger als das Mittelschiff der Kapelle und aus soliden, gut behauenen Steinen gefügt. Von der gewölbten Decke hingen etliche Öllampen, die das weite Gewölbe in warmes Licht tauchten. Auf Befehl Rainalds wurde ständig Weihrauch verbrannt, seit die Reliquien der Drei Heiligen Könige hierhergebracht worden waren. Man hatte in den Kirchen von Mailand so viel von dem kostbaren Harz gefunden, dass es auf Jahre den Bedarf des ganzen Erzbistums Cöln decken mochte.

    Einer der drei Leichname war aus seinem Sarg herausgehoben und lag nun auf dem steinernen Altar am Ende der Gewölbekammer. In einer großen Tonschüssel türmten sich die fadenscheinigen Reste der Kleider und Stoffbinden, die Johannes von der Leiche entfernt hatte. Ein sauberes Leintuch war über den Körper des Heiligen gespannt.
    Etwas abseits der geöffneten Särge der Drei Könige standen noch zwei weitere Särge. Sie enthielten die Gebeine der beiden heiligen Märtyrer Nabor und Felix.
    »Nun«, fragte Rainald fordernd. »Was ist es, das dir so gar nicht über die Lippen kommen wollte?«
    Der Mönch deutete auf den Leichnam, an dem er gearbeitet hatte. »Seht selbst, Fürsterzbischof. Um die Haare war Stoff gewickelt. Eine Mitra oder ein Turban. Der Stoff war zu stark beschädigt, um das noch mit Sicherheit sagen zu können.«
    Rainald beugte sich über das Gesicht des Heiligen. Die Haut der Leiche war straff wie Pergament über die hohen Wangenknochen gespannt. Es war nicht das geringste Zeichen von Bartwuchs zu entdecken. Die Augen lagen tief in den Schädel eingesunken, die geschlossenen Lider glichen getrockneten Pflaumen. Das Haar des Toten war vollständig erhalten geblieben und zu einer komplizierten Frisur hochgesteckt. Zwischen den schwarzen Strähnen funkelte ein Kopfschmuck.
    »Ich habe zuerst nicht erkennen können, um was für einen Kopfschmuck es sich handelt«, erklärte Johannes mit bebender Stimme. »Er ist aus Silber gefertigt, das aber so schwarz wie Kohle angelaufen ist. Als ich versucht habe, es zu reinigen, ist mir dies dort aufgefallen.« Er deutete auf eine Stelle links der Stirn des Leichnams.

    Rainald kniff die Augen zusammen. Der Stirnreif öffnete sich über der Schläfe. Ein Ende war hochgebogen und wie der Kopf einer Schlange geformt.
    Der Erzbischof strich sich nachdenklich über das Kinn. »Ungewöhnlich. Aber man muss bedenken, dass sie Heiden waren, als sie nach Bethlehem kamen. Es gibt keine Stelle in der Bibel, die besagt, ob sie jemals getauft wurden. Wir sollten diesen Stirnreif unter den Haaren verstecken.« Rainald wandte sich um. »Das kannst du doch gewiss richten, Johannes.«
    Der Mönch nickte zögerlich. »Wegen dieses Diadems hätte ich Euch nicht zu stören gewagt. Es ist vielmehr … Als ich es gesehen

Weitere Kostenlose Bücher