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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Hartmann versuchte, die rechte Hand an seinen Leib zu pressen. Ein harter Stoß traf ihn in den Rücken. Er stürzte mit dem Gesicht in den Schnee. Sein Arm wurde hochgerissen.
    »Hier bin ich Herr und Richter!«, verkündete Ingerimm.
    Hartmanns Finger tasteten über die zerfurchte Oberfläche des Holzklotzes. Sein Arm wurde brutal umgedreht. Hartmann stöhnte auf vor Schmerz. Metallische Schläge klirrten. Der Hackklotz vibrierte.
    »Richtet ihn wieder auf!«, befahl der Hausherr. »Er soll sehen, was geschieht.«
    Mit wachsendem Grauen beobachtete Hartmann, wie der Knecht sechs vierkantige Nägel zwischen seinen gespreizten
Fingern ins Holz trieb. Dann folgten zwei Nägel rechts und links vom Handgelenk des Ritters.
    »Um Gottes Gnade … Was habt Ihr vor?«
    Ingerimm antwortete nicht. Hartmanns Hand wurde mit einer dünnen Lederschnur gefesselt, die zwischen den Nägeln gespannt wurde. Zuletzt konnte er weder die Hand noch einen seiner Finger bewegen. Mit zufriedenem Nicken trat Gero zurück und betrachtete sein Werk.
    »Wo steckt Rolf? Er soll endlich den Schürhaken bringen!« Ingerimm hatte sein Schwert in die Scheide zurückgeschoben und stand, die Hände in die Hüften gestemmt, neben dem Hackklotz.
    Hartmann hatte begriffen, dass es sinnlos war, um Gnade zu betteln. Er würde seine Strafe ertragen! Und er würde keinen Schmerzenslaut über seine Lippen lassen, was immer dieser Unhold ihm nun auch antat!
    Als man Ingerimm den Schürhaken brachte, musterte der Alte eine Weile die rotglühende Spitze. »Die Kirche glaubt, dass das Feuer von Sünde reinigt«, flüsterte er. »Sieh dir das an!« Er hielt Hartmann das gekrümmte Eisen so dicht vors Gesicht, dass der Ritter vor der Hitze zurückzuckte.
    Ingerimm fuhr mit dem Haken durch den Schnee, der bösartig aufzischte und eine kleine Dampfwolke in die kalte Luft spie. Dann senkte sich das glühende Eisen auf Hartmanns Hand. Schnell und fast ohne ihn zu berühren, zog der grausame Alte den Schürhaken über Hartmanns Finger und den Daumen. Der Ritter bäumte sich auf und stöhnte. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen. Rote Blasen wucherten auf seinen geschundenen Fingern.
    »Gebt ihm sein Schwert zurück!«, befahl Ingerimm. »Es ist das Zeichen seiner Ritterlichkeit, und es soll ihm nicht
genommen sein. Und holt die Satteltaschen aus meinem Zimmer. Ich selbst werde ihn bis hinter die Grenzen meiner Ländereien bringen. Und sagt der Magd, sie soll ihm Gänsefett auf die Finger streichen und einen Verband anlegen.«
    Das Gesinde zerstreute sich, um Ingerimms Befehlen nachzukommen. Der Alte wollte also allein mit ihm fort. Hartmann erhob sich stöhnend. Er würde ihm die Maske vom Gesicht reißen und ihn für seinen Hochmut büßen lassen!
     
    Sie ritten unweit des Rheins. Es war schneidend kalt. Ein leichter Wind kam von Westen, der Schneeflocken vor sich her trieb. Nach langer Dämmerung erklomm, verborgen hinter dunklen Wolkenschleiern, eine müde Sonne den Himmel. Unter dem winterlichen Leichentuch, das über das Land ausgebreitet lag, schien alles Leben verschwunden zu sein. Bis zur Mittagsstunde sahen sie nur zweimal in der Ferne Gestalten, ohne sich ihnen auch nur auf Rufweite zu nähern.
    Drei Dörfer hatten auf ihrem Weg gelegen, doch Ingerimm schlug stets einen Bogen um die kärglichen Siedlungen. Nach der Mittagsstunde folgten sie einen Weg am Ufer des Rheins. Der mächtige Fluss war in der Kälte erstarrt, eine bizarre Landschaft übereinandergeschobener Eisplatten. Beständiges Knirschen kündete davon, dass die Oberfläche weitaus trügerischer war, als man auf den ersten Blick vermuten mochte.
    Einmal kamen sie an einem Flussabschitt entlang, wo das Eis aufgebrochen war und die großen Schollen in der Strömung aneinanderstießen wie Galeeren verfeindeter Flotten.

    Fast die ganze Zeit ritten sie schweigend. Die Kälte marterte Hartmanns verwundete Hand. Ingerimm folgte ihm im Abstand von zwei Pferdelängen. Der Unhold hatte eine Lanze quer über den Sattel gelegt und ließ ihn keinen Herzschlag lang aus den Augen. Sie mussten die Grenzen von Ingerimms Gütern schon lange hinter sich gelassen haben. Warum kehrte dieser Bastard nicht einfach um? Plante er etwa doch, ihn irgendwo an einer einsamen Stelle niederzustechen?
    Mittlerweile war Hartmann klargeworden, was Ingerimm mit dieser Strafe beabsichtigte. Der Alte mochte sich einbilden, ein aufmerksamer Beobachter zu sein, doch offensichtlich war ihm nicht aufgefallen, mit welcher Hand er

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