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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hatte, kam mir ein Verdacht. Es …«
    »Nun rede endlich! Warum hast du mich hierher geholt?« Der Erzbischof war mit seiner Geduld am Ende.
    »Wenn Ihr das Tuch zur Seite ziehen würdet, Fürsterzbischof.« Der Mönch zitterte.
    Mit einem heftigen Ruck riss Rainald an dem Tuch. Er war diese duckmäuserische Art des Mönchs gründlich leid! Probleme ging man direkt an!
    Der Körper des Toten war dunkel und ausgezehrt. Auf den ersten Blick fiel nichts Ungewöhnliches auf, außer dass die Leiche erstaunlich gut erhalten war.
    »Also, was willst du mir zeigen?«, fragte der Erzbischof gereizt.
    »Seht dort, Herr!« Der Mönch deutete auf den Schritt des Heiligen.
    Rainald riss die Augen auf. Vielleicht war dieses eine kleine Körperteil ja abgebrochen … Aber nein, es konnte keinen Zweifel geben, diese ganz bestimmte Körperpartie war unbeschädigt. Ebenso unzweifelhaft war, dass dieser Heilige
niemals ein König gewesen sein konnte. Bestenfalls eine Königin!
    Der Erzbischof stieß einen Fluch aus, der den Mönch neben ihm erzittern ließ. Die Welt war von einem Moment auf den nächsten aus den Fugen geraten. Eine Frau hatte ihn verraten, so wie Eva einst Adam verraten hatte. Doch er, Rainald von Dassel, Erzbischof von Cöln, war sogar von einer Toten betrogen worden. Plötzlich begriff er, warum die Könige nie einen Platz im Dom zu Mailand erhalten hatten. Die Lombarden hatten um das Geheimnis gewusst.
    Mit einer fahrigen Geste bedeutete er Johannes, sich zu entfernen. Er musste nachdenken und eine Lösung finden. Wer konnte ihn aus dieser misslichen Lage befreien?
     
    Rother schreckte aus dem Schlaf auf. Er war in Schweiß gebadet. Ein schrecklicher Traum hatte ihn gequält. Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper war zu schwach. War er denn krank? Er konnte sich nicht erinnern, wie er in dieses Bett gekommen war. Neben ihm auf dem Boden kauerte eine bärtige Gestalt, das Gesicht tief in den Händen vergraben. Heinrich … Er schien eingeschlafen zu sein. Rother drehte sich ein wenig zur Seite. Neben dem Bett stand ein Krug mit Wasser. Der Junge leckte sich über die trockenen, aufgesprungenen Lippen. Ihm war so heiß. Er streckte die Hand aus. Die Hand! Einen Moment lang starrte er ungläubig auf den Stumpf am Ende seines Arms. War er denn immer noch in seinem Traum gefangen? Alles schien so wirklich. Er hob den linken Arm. Auch dort ein schmutziger Verband. Sein Magen krampfte sich zusammen. Was konnte er nur tun, um aufzuwachen?
    Ein Windstoß bewegte die Wände des Zeltes. Die Kerze
neben Heinrich flackerte. Unheimliche Schatten krochen über den Stoff. Hatte er das schrille Fiepen von Ratten gehört? Ängstlich blickte Rother sich um. Schreckliche Bilder stiegen aus seiner Erinnerung auf. Er kroch in strömendem Regen über die Straße und bettelte um Essen. Doch alles, was er bekam, waren Fußtritte. Der Hunger ließ ihn langsam verrückt werden. Wären da nicht die Stimmen gewesen. Warme, freundliche Stimmen, die zu ihm sprachen. Die Drei Könige. Sie hatten ihn auserwählt!
    Er hatte nicht verhungern dürfen. Und er wusste um einen Ort, an dem es reichlich Fleisch gab. Fleisch! Rother begann zu schreien. Wieder spürte er die Ratten über seinen Leib tanzen, die kleinen Krallen und die nadelspitzen Nagezähne.
    Heinrich sprang auf. Er kam sofort zu ihm herüber und nahm ihn in den Arm. »Ich bin bei dir«, flüsterte er leise. »Du bist nicht allein.«
    »Weck mich auf. Lass diesen Traum vergehen. Ich kann … nicht …« Rother keuchte. War es vielleicht kein Traum … »Hol den Erzpoeten … Ich muss … beichten.« Er presste sich die Stümpfe auf die Ohren. »Und vertreib die Ratten von meiner Decke.«
    »Ja, gewiss.« Heinrich tupfe ihm mit einem kühlen Tuch über die Stirn. Dann hob er die Decke hoch und schüttelte sie aus. Die Ratten waren immer noch da. Unsichtbar. Aber deutlich zu spüren!
     
    Als der Archipoeta das Zelt verließ, legte er den Kopf in den Nacken und schaute zum Mond hinauf. Heinrich sah, wie sich die Lippen des Mönchs bewegten, als spräche er ein lautloses Gebet. Er hatte eine feierliche Art an sich, wie er
es bei dem leutseligen Trunkenbold noch nie erlebt hatte. Dabei sah das Gesicht des Dichters im Mondlicht so weiß aus wie Schnee im Januar.
    Es dauerte lange, bis der Mönch sein Gebet beendet hatte und Heinrich es wagte, ihn anzusprechen. »Geht es dem Jungen besser? Was hat er dir erzählt?«
    »Ich werde das Geheimnis der Beichte achten. Er hat mir

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