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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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diesem Schwur eins. Wir werden den dritten König finden und Rothers Vermächtnis erfüllen.«
    Der Regen fiel noch heftiger. Nun standen sie ganz allein
am Grab. Niemand war mehr zu sehen, der als Zeuge ihres Eides gelten konnte.
     
    Der Archipoeta wusste, dass sein Herr seit Tagen in düsterer Stimmung war, daher wählte er seine Worte mit Bedacht. »Eine Woche lang habe ich in der Kanzlei von Erzbischof Obert verbracht und alle Dokumente studiert. Aber ich habe nichts über die Könige gefunden, keine Zeile. Nicht einmal in Oberts geheimem Bücherversteck!«
    Rainald war während des Berichts seines Mönchs unruhig auf und ab gegangen. Doch jetzt hielt er inne, um den Dichter mit einem Blick zu mustern, der dem Archipoeta gar nicht behagte. »Und du bist sicher, dass du nichts übersehen hast?«
    Der Mönch zuckte mit den Schultern. »Was im Leben ist schon sicher? Aber versetzt Euch doch in die Lage der Erzbischöfe von Mailand. Wenn man ein Geheimnis wohl hüten will, dann tut man gut daran, nichts aufzuschreiben. Oder würdet Ihr niederschreiben, was mit dem dritten König geschehen ist?«
    »Das heißt, es gibt nicht die geringste Spur?«
    »Nun, ich habe etwas im Codex Jordani chronicon gefunden.« Der Mönch zog ein schmales Pergament aus dem rechten Ärmel seiner Kutte. »Nur für den Fall, dass Euch noch etwas auffallen sollte, was mir entgangen ist, habe ich den genauen Wortlaut abgeschrieben.«
     
    »Die Leiber der Drei Weisen sind einst durch den Kaiser aus Persien nach Konstantinopel und von dort durch den heiligen Bischof Eustorgius von Mailand in wunderbarer Weise über das Meer geführt worden. Kaiser Konstantin bewilligte ihm die Lade, sie
ward auf das Meer gebracht, Sankt Eustorgius bestieg sie, und so schwamm die Lade unter Gottes Führung nach Italien. Sie war von unsäglicher Schwere; man kaufte ein zierlich gebautes Fuhrwerk; alle staunten, dass es nicht allein sie trug, sondern von zwei Kühen leicht gezogen wurde bis nahe bei Mailand. Als der heilige Eustorgius eine Nacht sich Rast gönnte vor Ermüdung, verzehrte ein Wolf die eine von den Kühen, alsbald befahl Sankt Eustorgius dem Wolfe, statt der Kuh ins Geschirr zu treten.«
     
    Der Archipoeta zog eine Grimasse. »Brillanter Stil, nicht wahr? Ich hoffe, Ihr werdet es mir erlauben, eines Tages eine schönere Legende über den Weg der Könige nach Cöln niederzuschreiben.«
    Rainald lächelte müde. »So wie ich dich kenne, könnte man diese Legende keinem jungen Mönch in die Hände geben, ohne darum fürchten zu müssen, dass er bei der Lektüre für immer seinen Seelenfrieden verlieren würde.«
    Der Archipoeta blinzelte und machte ein unschuldiges Gesicht. »Ich verstehe nicht, warum immer alle so schlecht von mir denken.«
    »Eine Kuh und ein Wolf im selben Geschirr …« Der Erzbischof seufzte. »Man muss schon ein Heiliger sein, um so etwas zu glauben.«
    »Es gibt auch andere Geschichten. Solche, die nicht in den Chroniken stehen. Aber es ist so ein kalter Frühling, und ich habe keinen Mantel, und mein Pferd lahmt …«
    Als der Erzbischof sich umwandte, leuchtete das Licht der Kerzen golden in seinen Augen. »Treib es nicht zu weit, Dichter! Raus mit der Sprache, was weißt du noch?«
    Der Mönch sank auf die Knie. Er kannte das Spiel gut, das er mit seinem Herren trieb. Ein bisschen Demut, ein paar
schmeichelnde Worte. Rainald mochte es, wenn er ihm ein paar gescheite Verse vortrug und sich so dem eigentlichen Thema näherte.
    »Jegliches hat seine Zeit – mich lass kurz verweilen,
Dass ich selbst dir überreich’ die geringen Zeilen!
Dir, dem hocherwählten Herrn, ich im Lumpenkleide,
Sprech, dass wie das Mägdelein ich die Schamröt’ leide.«
    »Eines Tages wird dir jemand deine freche Zunge aus dem Maul reißen lassen.« Von Dassel sagte das mit einem Lächeln, das seine harten Augen nicht erreichte.
    Dem Archipoeta schoss ein Schauer über den Rücken. Keine Verse mehr, dachte er bei sich und zog ein zweites Pergament aus dem Ärmel. »Ich habe von einem alten Kaufmann noch eine andere Geschichte gehört. Er war ein bisschen verwirrt, weil er alles verloren hatte.«
    Rainald nahm das Schreiben an sich und überflog die Zeilen. »Stimmt das?«
    »Das weiß Gott allein. Ich habe nur aufgeschrieben, was er mir erzählt hat. Und es kommen keine Kühe und Wölfe darin vor, die im selben Geschirr eingespannt sind.«
    Der Erzbischof starrte finster auf das Pergament. »Konstantinopel. Dort werden wir die Wahrheit

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