Königin der Engel
Lektion gelernt hast oder nicht. Wenn nicht, dann werde ich dafür sorgen, daß du noch viel härter bestraft wirst.
Ist das eine einigermaßen korrekte Interpretation dessen, was im Kopf von Menschen vorgeht, die nach Gerechtigkeit streben? Noch verwirrender ist vielleicht, was im Kopf jener vorgeht, die auf Abwege geraten sind. Die Texte, die ich studiert habe, deuten darauf hin, daß sich die schlimmsten Übeltäter über die Konsequenzen ihrer Handlungen möglicherweise gar nicht im klaren sind; das heißt, daß sie unfähig sind, den Verlauf zukünftiger Ereignisse oder die Reaktionen ihrer Mitmenschen detailliert zu modellieren. Entweder das, oder ihre Fähigkeiten zur Mitgefühlreaktion sind gestört, und es ist ihnen egal, wie andere empfinden. Sie können jede Tat ausführen, die ihnen Vorteile bringt oder Freude bereitet.
Aber was ist mit dem auf Abwege geratenen Individuum, das keinen praktischen Nutzen daraus zieht, wenn es anderen etwas antut? Was für geistige Prozesse sind am Werk, wenn ein solches Individuum anderen anscheinend nur zum Vergnügen Leid zufügt?
Es ist in der Tat möglich, daß solche Individuen Szenarien aus ihrer frühen Kindheit nachspielen, die sie damals miterlebt oder die sich ihnen tief eingeprägt haben. Das heißt, ihre frühen Persönlichkeiten wurden von Ereignissen geformt, über die sie keine Kontrolle hatten. Eine Routine, die schon sehr früh in ihrem mentalen Apparat geschaffen wurde, kann in der Tat nach dem Verhalten eines einflußreichen Individuums modelliert sein – eines Elternteils, eines Verwandten, eines Freundes oder sogar einer unbekannten Person, die ihnen etwas zuleide getan hat. Diese Routine kann unter gewissen Umständen die volle mentale Kontrolle erringen, die primäre Persönlichkeit ersetzen und vielleicht die Bedingungen nachahmen, unter denen sie geschaffen wurde.
Wenn das gekränkte Individuum, dem Unrecht geschehen ist, einen solchen Übeltäter zu bestrafen versucht und die Strafe diesen trifft, während die verantwortliche Routine nicht an der Macht ist, sondern inaktiv und unempfindlich, ist die Strafe dann nicht sinnlos?
Viele Übeltäter behaupten, von ihren Verbrechen nichts zu wissen. Die Texte und Fälle, die ich studiert habe, deuten darauf hin, daß dies tatsächlich stimmen kann; sie haben keinen umfassenden Zugang zu den Erinnerungen ihrer Übeltäter-Routinen. Sie sind sich in gewissem Maße bewußt, gegen Gesetze verstoßen zu haben, aber die Tat haben nicht sie begangen; das war jemand anders. (Bekomme keinen Zugang zu Bundesdateien mit dem Code 4321212-4563242-A [gesichert] Thema: Tiefenuntersuchung von Agenten/Persönlichkeits/Ne- benpersönlichkeits-Aktivität bei Individuen, die Belastungen durch illegale psychologische Foltergeräte unterworfen sind. Diese Information könnte für diese Abhandlung wichtig sein.)
Eventuell kann man die Übeltäter-Routine durch den Einsatz bestimmter psychologischer Techniken heraufholen, sie dazu bringen, ins Bewußtsein aufzusteigen, und sie dann bestrafen. Jede andere Handlung kann ineffektiv oder sogar selbst ein Verbrechen an einem Unschuldigen sein. Wenn die Routine nur hart genug bestraft wird, hört sie vielleicht auf zu existieren und befreit das Individuum damit von einer Bürde.
Das scheint die Philosophie der Selektoren zu sein. Aber die Höllenkrone oder >Klammer< ist unpräzise und wahrscheinlich nicht effektiv, was das Heraufholen von Übeltäter-Routinen betrifft, weil dieses Gerät eine ganze Reihe von Routinen im mentalen Apparat des Individuums aufsteigen läßt und sie extrem belastenden, schmerzhaften, unangenehmen Erfahrungen aussetzt. Die Intention der Selektoren scheint schlichte Vergeltung zu sein, das heißt, Auge um Auge, Zahn um Zahn, was mich wieder zu der Motivation bringt, die ich nicht verstehe.
Wenn jemand meinem System Schaden zufügen sollte, kann ich mir nicht vorstellen, daß ich mir im Gegenzug wünschen würde, ihm zu schaden. Das mag daran liegen, daß ich kein Ichbewußtsein besitze und deshalb kein Selbstwertgefühl habe, und daß es bei mir folglich nichts zu kränken gibt.
Wenn ich mir die Abhandlung dieses Morgens noch einmal ansehe, habe ich ein starkes Gefühl von Unreife und finde, daß es mir beim Argumentieren an Tiefgang mangelt.
Dieser kritische Drang, mich mit den Fehlern meiner Arbeit zu befassen, ist zugleich notwendig und unangenehm (verwende die Bedeutungs-Synklinale R-56 Block K für das Wort >unangenehm<).
Es ist
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