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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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angenehme zwanzig Grad, und es war erst halb neun. Sie würde die Leute in LA aufwecken. Na wenn schon.
    Soulavier schüttelte den Kopf wie eine Marionette. »Keine Telefongespräche.«
    »Das ist gegen das Gesetz«, erklärte ihm Mary und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Sie sah Mauern hochfahren; wie hoch?
    »Tut mir leid, Mademoiselle.« Soulavier hob die Schultern; nicht meine Schuld.
    »Will Ihre Regierung tatsächlich Sendungen von meinem privaten Gerät an das G-Sync blockieren?«
    »Die Blockade ist bereits in Kraft«, sagte Soulavier. »Phasengesteuerte Direktschaltungsstörung, Mademoiselle.«
    »Dann würde ich gern mit der nächsten Maschine aus Hispaniola abreisen.«
    »Ihr Name steht auf einer Liste der Personen, die das Land nicht verlassen dürfen, Mademoiselle.« Soulaviers Lächeln war mitfühlend und unglücklich. Mit anmutigen Bewegungen schlenderte er durch das Zimmer, berührte das Sims über dem unbenutzten steinernen Kamin und strich mit der Hand zärtlich über die Rückenlehne der Couch, die das Wohnzimmer teilte. »Zumindest nicht in den nächsten vierundzwanzig Stunden.«
    Mary schluckte. Sie würde sich nicht erlauben, wütend zu werden; Panik kam überhaupt nicht in Frage. Sie merkte, daß sie Angst hatte, aber das behinderte sie nicht. Mit klarem Kopf ging sie ihre Möglichkeiten durch.
    »Ich hätte gern so bald wie möglich ein Gespräch mit Ihrer Polizei. Bis die Sache geklärt ist, kann ich genausogut meine Arbeit erledigen.«
    »Eine gute Einstellung, Mademoiselle.« Soulaviers Miene hellte sich auf, und er stand stramm wie ein Soldat. »Ihr Termin ist in einer Stunde. Ich werde Sie persönlich hinbringen.«
    Roselle kam aus der Küche zurück. Im Eßzimmer war der Tisch gedeckt worden. »Ihr Frühstück ist fertig, Mademoiselle.«
    Soulavier saß geduldig im Wohnzimmer, den Zylinder in der Hand, den Blick gesenkt, schüttelte ab und zu den Kopf und murmelte vor sich hin. Mary nahm in erzwungener Ruhe das Frühstück ein, das Roselle zubereitet hatte – Eier und echter Frühstücksspeck, keine Nanonahrung, perfekter Toast, frisch gepreßter Orangensaft und eine Scheibe scharfe Mango mit festem Fleisch.
    »Danke. Das war ausgezeichnet«, erklärte sie Roselle. Die Frau lächelte warm.
    »Sie brauchen Kraft, Mademoiselle«, sagte sie mit einem raschen Blick auf Soulavier.
    Mary holte ihr Köfferchen mit der Haarbürste und dem Schminkset aus dem Schlafzimmer und blieb neben der Couch im Wohnzimmer stehen. Soulavier blickte hoch, sprang auf, verbeugte sich und öffnete ihr die Fliegengittertür. Die Limousine wartete am Bordstein.
    Soulavier nahm gegenüber von ihr Platz und instruierte den Wagen auf französisch. Sie machten auf der breiten Asphaltstraße kehrt, um die Siedlung zu verlassen. Auf der Fahrt zur Bucht ließ er einen unaufhörlichen Redestrom über die Geschichte und die Legenden auf sie los, aber Mary hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Am Abend zuvor hatte sie weitgehend die gleichen Informationen gelesen, und in schriftlicher Form waren sie fast genauso enthusiastisch dargeboten worden.
    Die Häuser in ganz Port-au-Prince waren mit wenigen Ausnahmen nicht älter als das Ankunftsdatum von Colonel Sir in Hispaniola. Das große Karibikbeben von 2018 hatte John Yardley eine erstklassige Gelegenheit geboten und außerdem seine junge Tyrannei mit einer enormen Wiederaufbaulast befrachtet. Ein paar von den neueren Gebäuden unternahmen halbherzige Anstrengungen, den Zuckerbäckergeist des alten Haiti wieder einzufangen; die meisten begannen noch einmal von vorn mit dem Jahr Eins eines neuen architektonischen Stils, der sich am besten als effizient-institutionell beschreiben ließ.
    Die Hotels waren auffällige Ausnahmen: Hier im Zentrum des touristischen Geldstroms war die Architektur prunkvoll und festlich, auf verschwenderische Weise phantasiereich. Mary war mehrmals in Las Vegas gewesen und fühlte sich an dessen Tristesse bei Tag und dessen pompöses Gepränge bei Nacht erinnert. Von 2020 an, dem >Jahr der Großen Vision<, wie Colonel Sir es hochtrabend genannt hatte, waren Architekten aus aller Welt nach Hispaniola gekommen und hatten versucht, Hotels in Form von Ozeandampfern, von Bergen wie jenen auf der Insel und von Seevögeln mit ausgebreiteten Schwingen zu bauen, darunter auch furchterregend freitragende Konstruktionen, die wie phantastische Raumstationen mit rotierenden Naben und kreisenden Armen an der Küste und in der Bucht standen.
    Die beiden Jahre vor

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