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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sich neben Erwin auf den Schreibtisch. »Nur wegen meiner Liebe zur Wissenschaft bin ich mit diesem Mann in einem Zimmer geblieben«, sagte sie.
    »Kann sein, daß wir hier eine Tarnpersönlichkeit haben«, meinte Carol. »Jemand, der sich versteckt.«
    »Schon möglich«, pflichtete Martin ihr bei. Er wandte sich an den Raummanager. »Ich möchte ein Vid von Goldsmith sehen, das vor mehreren Jahren aufgenommen worden ist. Vid-Bibliothek, persönliches Band Nummer zwei.« Der Wandschirm leuchtete auf und wurde von einem Flachbild gefüllt: Goldsmith auf einem Podium vor einem vollen Vorlesungssaal. »Das ist 2045 an der University of California in Mendocino aufgenommen worden. Seine berühmte Yardley-Rede. Hat ihm mehr Publicity eingebracht und mehr Bücher verkauft als alles, was er je zuvor getan hat. Achtet auf die Manierismen.«
    Goldsmith lächelte in den überfüllten Saal, schob einen kleinen Papierstapel auf dem Podium hin und her und hob die Hand wie ein Dirigent, der gleich mit einem Musikstück beginnen würde. Er nickte vor sich hin und sagte:
    »Ich bin ein Mann ohne Land. Ein Dichter, der nicht weiß, wo er lebt. Wie ist es dazu gekommen? Schwarze sind in unserer Gesellschaft wirtschaftlich integriert; ich kann nicht behaupten, daß ich wegen meiner Rassenzugehörigkeit stärkerer sozialer Diskriminierung ausgesetzt bin als ein Dichter, weil er ein Dichter ist, oder ein Wissenschaftler, weil er ein Wissenschaftler ist. Aber bis zum letzten Jahr habe ich immer ein tiefes Gefühl spiritueller Isolation gehabt. Wenn Sie meine letzten Gedichte gelesen haben…«
    »Vid anhalten!« sagte Martin. »Seht ihr? Er ist geschliffen, energiegeladen, lebendig. Es könnte ein anderer Mensch sein als der, den wir hier haben. Sein Gesicht ist aktiv. Es ist nachdenklich, besorgt und lebhaft. Da ist jemand zu Hause.«
    Carol nickte. »Vielleicht haben wir eine traumatisierte Primärpersönlichkeit.«
    Martin nickte. »Jetzt paßt gut auf. Vid wieder abfahren.«
    »… ist Ihnen bestimmt mein Interesse an einem Ort aufgefallen, der nicht existiert. Ich nenne ihn Guinée, wie es meine Freunde auf Hispaniola tun. Es ist die Heimat, das Vater- und Mutterland, in das keiner von uns zurückkehren kann, das Afrika unserer Träume. Für Schwarze in der Neuen Welt hat Afrika keine Ähnlichkeit mehr mit dem Land unserer Phantasie. Ich weiß nicht, wie das bei einem Kaukasier, einem Orientalen oder auch anderen Schwarzen ist, aber diese Dissoziation, diese Abtrennung meines Geistes von seiner Heimat macht mir Kummer. Wissen Sie, ich glaube, daß es einmal einen schönen Erdteil namens Afrika gegeben hat, bevor die Sklavenhändler kamen. Er war vielleicht nicht besser als jede andere Heimat, aber ich hätte mich dort zu Hause gefühlt: ein Erdteil mit geringer Industrialisierung, ohne nennenswerte Maschinen, ein Erdteil der Bauern und Dorfbewohner, der Stämme und Könige, der Naturreligionen, ein Erdteil, in den Götter kamen und aus den Mündern der Menschen direkt zu ihnen sprachen.«
    »Von diesem Traum will er jetzt nichts mehr wissen«, sagte Margery. Martin war der gleichen Meinung, hielt jedoch den Finger an die Lippen und zeigte auf den Bildschirm.
    »Aber ich muß sagen, daß mir dieser Traum nicht immer klar ist. Wenn ich daran denke, an einem solchen Ort zu leben, bin ich hin und her gerissen und ganz durcheinander. Ich wüßte nicht, wie ich dort leben sollte. Ich bin in der realen Welt der Maschinen geboren, einer Welt, in der Gott niemals zu uns spricht, uns niemals tanzen oder töricht sein läßt, in einem Land, in dem Religionen ruhig, feierlich und harmlos sein müssen; in dem wir unsere Energie für Monumente des Intellekts und der Architektur verausgaben, während wir die Dinge vernachlässigen, die wir wirklich brauchen: Trost für unseren Schmerz, eine Verbindung mit der Erde, ein Zugehörigkeitsgefühl. Und doch fühle ich mich auch in dieser Welt nicht zu Hause. Ich habe keine Heimat, außer jener, die ich in meiner Dichtung beschreibe.«
    »Vid anhalten«, befahl Martin. Er sah die sechs Personen in dem Raum mit hochgezogenen Augenbrauen an, eine Aufforderung, sich zu äußern.
    Lascal ergiff das Wort. »Der Mann, den wir haben, ist nicht Emanuel Goldsmith.« Er lächelte verlegen. »Was immer das bedeuten mag.«
    »Aber er ist es«, sagte Carol.
    »Physisch«, sagte Lascal. »Mr. Albigoni hat sich auch dazu geäußert. Als Goldsmith nach den Morden auftauchte und ein Geständnis ablegte, war es, als ob er

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