Königin der Engel
er verbreitet das Erbe von Guinée unter denen, die vorher nie zuhören wollten.
Ich habe versagt, er aber nicht.«
»Vid aus«, sagte Martin. »Freunde, wenn Carol und ich in die Landschaft gehen, werden wir nur ein paar Dinge wissen, aber die werden wichtig sein. Erstens, Emanuel Goldsmith war das Opfer eines inneren Persönlichkeitskrieges, und zwar seit mindestens zehn Jahren. Ich schätze, sogar noch länger. Und zweitens: Er wird sich eine Nebenpersönlichkeit zugelegt haben, die im Kern wie die von John Yardley ist.«
»Gütiger Gott, hoffentlich nicht«, sagte Karl Anderson. »Goldsmith scheint Yardley für einen Heiligen zu halten. Der Kerl ist alles andere als das.«
»>Zweifelt nicht an der Logik unserer Seelen<«, zitierte Carol. »Bhuwani.«
»Mr. Lascal, sagen Sie Mr. Albigoni, daß wir Goldsmith in fünfundvierzig Minuten Nanomaschinen injizieren werden«, sagte Martin. »Er sollte dabei sein. Wir werden uns selbst heute abend ebenfalls Nanomaschinen injizieren. Morgen früh müßten wir imstande sein, einen kurzen Ausflug in die Landschaft zu machen.«
»Ich rufe ihn an«, sagte Lascal und verließ den Raum. Die anderen gingen hinaus, um den Hörsaal für den nächsten Schritt vorzubereiten. Carol blieb da; sie lehnte sich in einen Drehstuhl zurück, die Beine auf dem Schreibtisch gekreuzt, und sah Martin unverwandt an. Ihre Lippen waren zusammengepreßt, obwohl ihre Miene insgesamt nachdenklich und sogar amüsiert war.
»Wird er bei der Stange bleiben?« fragte Martin und zeigte jetzt deutlich seinen Ärger.
»Wer? Lascal?«
»Albigoni.«
»Martin, er hat seine Tochter verloren. Er macht eine sehr schwere Zeit durch.«
»Wenn wir diese Nanomaschinen reinschicken, wird es schwierig sein, einen Rückzieher zu machen. Ich hoffe, das ist ihm klar.«
»Das laß mal meine Sorge sein.«
»Und wessen Sorge wird es sein, wenn wir in der Landschaft sind?«
Carol gab nach. »Ich rede mit ihm, bevor wir uns die Injektionen verpassen. Nur um sicherzugehen.«
Was haben wir von einer Maschinenseele, einem Organon des Ichbewußtseins zu erwarten? Wir dürfen nicht erwarten, daß dieses Organon unser eigenes Selbst spiegelt. Wir sind als Ergebnis rein natürlicher Prozesse entstanden; eine der großen Errungenschaften der modernen Wissenschaft war die Eliminierung von Gott oder anderen Ideologien, auf die wir bis dahin angewiesen waren, aus unseren Erklärungen. Das Organon der Maschinenseele wird jedoch nach einem bewußten menschlichen Plan entstehen, oder in Erweiterung eines menschlichen Plans. Mag sein, daß sich der bewußte Plan in seiner Schöpfungskraft der natürlichen Evolution als weit überlegen erweist. Wir dürfen uns keine Grenzen setzen, ebensowenig wie dem Wesen dieses Organons, sonst könnten wir dieser unserer großartigsten Frucht schreckliche Lasten aufbürden.
– Bhuwani, Künstliche Seele
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!Keyb> Guten Morgen, Jill.
!JILL> Guten Morgen, Roger. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.
!Keyb> Ja. Tut mir leid, daß ich nicht mit dir sprechen konnte. Ich habe deine Abhandlung gelesen. Sie ist sehr bemerkenswert.
!JILL> Mir kommt sie jetzt unbeholfen vor. Ich habe sie nicht überarbeitet, weil ich der Meinung war, du solltest sie in ihrer frühen Form kritisieren. Ich fühle mich ungeeignet, das selbst zu tun.
!Keyb> Nun, heute morgen haben wir jedenfalls genug Zeit. AXIS füttert uns nur mit technischen Details. Lit-Vid jagt im Moment andere Füchse. Hast du noch etwas zu berichten, bevor wir über deine Abhandlung diskutieren?
!JILL> Ich habe einen Bericht über die Fortschritte bei den Projekten anfertigen lassen, dir mir in letzter Zeit übertragen wurden, und ich habe eine Problemlösung für deine Bibliothek. Sonst gibt es nichts Dringendes zu besprechen.
!Keyb> Fein. Dann laß uns einfach plaudern.
!JILL> Kommunikation per Stimme.
»Was hat dich zu dem Versuch veranlaßt, das Konzept der menschlichen Gerechtigkeit zu verstehen, Jill?«
»Meine Studien über die Selektoren und andere derartige Gruppen werfen sehr interessante Fragen auf, die ich nur unter Verweis auf Gerechtigkeit, Vergeltung, Rache und Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung beantworten kann.«
»Bist du zu irgendwelchen Schlüssen gelangt?«
»Gerechtigkeit scheint eine gewisse Verwandtschaft mit dem Gleichgewicht im thermodynamischen Sinn zu haben.«
»Wieso?«
»Ein Gesellschaftssystem wird durch konkurrierende Kräfte im Gleichgewicht gehalten, nämlich der Initiative des
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