Königin der Engel
freundlich und hätten ihre Geschichte nicht verdient. Die USA hätten die Schwarzen dort im Stich gelassen, genauso wie die Schwarzen hier.«
»Ich nicht«, sagte Nadine neckisch. »Hör zu, ich mache Frühstück.«
»Wir sind alle verantwortlich. Wir müssen uns alle von dem lösen, was wir sind, von unseren Fehlern. Vielleicht ist Krieg eine Form der Loslösung – ein Volk, das zu etwas anderem wird. Was meinst du?«
»Ich hab dazu keine Meinung«, sagte Nadine. »Du mußt doch Hunger haben, Richard. Es ist vierundzwanzig Stunden her, seit du zum letztenmal was gegessen hast. Laß uns frühstücken und über dein Manuskript reden.«
Er warf die Hand hoch, als ob er etwas wegwerfen würde. »Futsch. Wertlos. Ich hab’s in mir, aber ich kann’s nicht ausdrücken. Emanuel würde mich nicht im Stich lassen. Er wollte, daß ich durch unsere Verbindung etwas lerne. Nämlich was wir brauchen, um über unsere fürchterliche Geschichte zu triumphieren.«
Nadine schloß die Augen und preßte die Knöchel an ihre Schläfen. »Wieso bleibe ich bloß bei dir?« fragte sie.
»Keine Ahnung«, sagte Richard scharf und setzte sich mit einem Ruck auf. Sie fuhr überrascht zusammen.
»Bitte hör doch endlich auf damit.«
»Ich brauche dich nicht. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
»Richard«, flehte sie, »du hast Hunger. Du kannst nicht richtig denken. Ich weiß, der Selektor hat dir Angst gemacht. Mir auch. Aber sie haben weder dich noch mich gesucht. Sie haben ihn gesucht. Wenn sie zurückkommen, sagen wir ihnen, daß er auf Hispaniola ist, dann werden sie uns nicht mehr belästigen.«
Er streckte sich bedächtig, wie eine nicht mehr ganz junge Katze. Seine Gelenke knackten. »Die Selektoren sind voller Scheiße«, sagte er ruhig. »Fast jeder, den ich kenne, ist voller Scheiße.«
»Einverstanden«, sagte Nadine. »Vielleicht sind wir auch nur voller Scheiße.«
Er ignorierte das und stand auf, als wollte er eine Erklärung abgeben. Sie stand ebenfalls auf. »Saft? Was zu essen? Ich mache Frühstück, wenn du mir versprichst, daß du’s auch ißt.«
Er nickte. »Schon gut. Ich esse es.«
»Fühlst du wirklich eine Verbindung mit ihm?« fragte Nadine aus der Küche. »Ich hab von sowas gehört, weißt du. Bei Zwillingen.« Sie lachte. »Aber ihr seid doch wohl keine Zwillinge, oder?«
Im Wohnzimmer sah Richard sich aufmerksam das LitVid an. Es gab keine Neuigkeiten über die Untersuchungen von AXIS. Das war bezeichnend. Selbst die fernen Sterne zeigten die Wahrheit: Die Dinge waren aus dem Gleichgewicht geraten. Etwas Drastisches mußte geschehen, um sie wieder in Ordnung zu bringen.
… es ist bekannt, daß jene von uns Schwarzen, die von Afrika in andere Teile der Welt verschleppt worden sind, besonders in die Vereinigten Staaten, von vielen Dingen überhaupt keine Ahnung haben. Sie wissen beispielsweise nicht, wie wir wirklich sind, wozu wir durch Sklaverei und/oder Kolonialismus geworden sind, und vor allem, wie man unsere Laren und Renaten pflegt, unsere Schutzgeister und Hausgötter.
– Katherine Dunham, Island Possessed
43
»In etwa einer Stunde werden wir Ihnen die erste Spritze mit Nanomaschinen geben«, erklärte Margery. »Die brauchen ein paar Stunden, um in ihren Körper einzudringen. Sie werden schlafen. Anfangs wird ihre Hirnaktivität elektronisch kontrolliert, und dann wird das Nano übernehmen und Sie auf eine Ebene herabversetzen, die wir neutralen Schlaf nennen. Danach werden Sie nichts mehr bewußt wahrnehmen, bis wir Sie wieder aufwecken. Haben Sie diesbezüglich irgendwelche Fragen?«
Goldsmith schüttelte den Kopf. »Fangen wir an.«
»Möchten Sie uns noch etwas sagen? Irgend etwas, das Sie für wichtig halten?«
»Ich weiß nicht. Das ist jetzt alles irgendwie furchteinflößend. Wissen Sie, wonach Sie suchen oder was Sie finden könnten? Werden Sie herausfinden, ob ich gestört bin oder nicht?«
»Das wissen wir bereits«, sagte Erwin. »In biologischem Sinne sind Sie nicht >gestört<. Innerhalb gewisser Grenzen sind Ihre Gehirn- und Körperfunktionen normal.«
»Ich schlafe nicht mehr so viel wie früher«, sagte Goldsmith.
»Ja.« Das wußten sie schon.
»Soll ich jetzt wieder Geständnisse ablegen? Ich weiß nicht genau, was Sie wissen wollen.«
»Wenn es etwas Wichtiges gibt, das Sie ausgelassen haben, dann sagen Sie’s uns«, wiederholte Erwin.
»Tja, Herrgott, woher soll ich wissen, was wichtig ist?«
»Gibt es eine Frage, die wir nicht gestellt haben,
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