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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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die Tat eines anderen schildern würde. Er hat sich wirklich verändert.«
    »Zugegeben«, sagte Martin, dessen ruheloser Ärger wuchs. »Aber wir schleichen hier wie die Katzen um den heißen Brei herum. Im Vid spricht er davon, von Göttern besessen zu sein. Er spricht von Hispaniola. Also, ich weiß nicht, wie es in Hispaniola gegenwärtig mit Voodoo oder irgendeiner anderen Religion bestellt ist, seit Yardley an die Macht gekommen ist. Aber wir kennen alle den klinischen Ursprung der Besessenheit, sei es von Göttern oder von Teufeln.
    Durch Akkulturation, durch ein privates Bedürfnis oder durch beides wird eine Nebenpersönlichkeit geschaffen, normalerweise von einem höheren Talent oder Agenten. Die Nebenpersönlichkeit gewinnt eine beispiellose Macht über die Primärpersönlichkeit, stößt sie beiseite und übernimmt die Kontrolle. Während der >Besessenheit< schneidet die Nebenpersönlichkeit die primäre von sämtlichen Erinnerungen und dem gesamten Sinnesapparat ab. Jetzt hört euch das an. Vid wieder abfahren.«
    Goldsmith ließ den Blick über das Meer von Gesichtern schweifen. Er hatte einen feinen Schweißfilm auf der Stirn. »Heimat ist dort, wo ein Mensch weiß, wer er ist. Wenn er den Finger in die Erde steckt, stöpselt er sich in einen Stromkreis ein. Die Götter kommen durch den Erdboden herauf oder aus dem Himmel herab und nehmen in seinem Kopf Platz. Seine Freunde sprechen vielleicht mit den Zungen von Göttern. Vielleicht tut er selbst das auch. Alles ist miteinander verbunden. Ich glaube, daß es einmal eine solche Zeit gegeben hat, ein Platinzeitalter, besser als Gold, und dieser Glaube verursacht mir enorme Pein… Weil ich nicht dorthin zurückkehren kann. Selbst wenn ich Gedichte schreibe, sind die einzigen Götter, die in mir sprechen – wenn man das so nennen kann –, große weiße Götter, Götter der Wissenschaft und der Technik; Götter, die Fragen stellen und den Antworten skeptisch gegenüberstehen. Ich bin nur ein Schwarzer, weil meine Haut schwarz ist; meine Seele ist weiß. Ich stecke einen Finger in die Erde und fühle Schmutz. Ich schreibe Gedichte, und es ist ein weißer Mann, der schwarze Poesie zu schreiben versucht.« Er hob die Hand, als lautstarker Protest aus dem Publikum ertönte. »Ich weiß es besser als ihr. Mein Volk ist aus dem Bauch von Guinée gerissen worden, bevor es ausgereift war. Sklavenhändler an der Seelenküste trennten es von der Nabelschnur seiner Kultur und zerstreuten seine Nationen und Familien in alle Winde. Die klaffende Wunde der Abtreibung eines ganzen Volkes zieht sich wie ein kontinentaler Grabenbruch durch alle Generationen vor mir.
    Jetzt sind wir also integriert, wir sind wirklich ein Teil dieser Kultur, die aus den Engelmachern und den Sklaven früherer Jahrhunderte erwachsen ist. Wir sind eins mit unseren Bezwingern, Mördern und Vergewaltigern… im Blut und… und in der Seele. Das ist es, worüber ich schreibe. Die Schlacht ist vorbei. Wir sind absorbiert worden. Also, gibt es einen Schwarzen auf diesem Kontinent, der in seiner Seele nicht weiß ist? Ich reiste nach Hispaniola, nach Kuba und nach Jamaika, um Menschen zu finden, die durch und durch schwarz sind. Ich fand einige wenige. Nach Afrika bin ich nicht gereist, weil das zwanzigste Jahrhundert diesen Kontinent in ein Leichenhaus verwandelt hat. Seuchen, Krieg und Hunger…
    Falls Afrika je eine Chance gehabt hat, wieder zu jenem Paradies namens Guinée zu werden, hat das zwanzigste Jahrhundert diese Chance zu Grabe getragen, und mit ihr zig Millionen Menschen.
    Als ich also in die Karibik reiste, was fand ich da? Auf Hispaniola, das einst auch von der Seuche und der Revolution verwüstet worden war, fand ich einen weißen Mann wie Damballa, der Erzulie liebte, einen Mann, der eine Seele hatte, die von Rechts wegen mir gehörte, die Seele eines echten Schwarzen. Er konnte seinen Finger in die Erde stecken und wahrheitsgemäß sagen, daß er daheim war, daß der Strom Hispaniolas durch ihn floß. Sein Name ist Colonel Sir John Yardley. Als ich ihm gegenüberstand, hatte ich das Gefühl, ein Fotonegativ von mir zu sehen, innerlich wie äußerlich.
    Als er nach Hispaniola kam, blühte die Insel nach ein paar wilden und grausamen Jahren für ihn auf. Er gab den Menschen Selbstwertgefühl. Deshalb ist es ungerecht, ihn als weißen Diktator zu bezeichnen oder seine politische Strategie in Frage zu stellen. In allem, was er sagt und tut, zeigt sich, daß er aus Guinée kommt, und

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