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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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wurden bereits deformiert.
    Signalbestätigung nicht erhalten, meldete die Tafel. Unvollständige Verbindung; vermutlich gestört. Da war es: Störung. Entweder hatte jemand am Schalter geschlafen, oder sie spielten mit ihr wie mit einem Sportfisch; wie auch immer, sie hatte zumindest durchgeben können, daß sie am Leben war. Mit einem zitternden Seufzer schaltete sie die Tafel aus und kniete sich vor die Frisierkommode. Ihr Kinn ruhte auf den verschränkten Armen, die auf dem Rand lagen.
    Geduldig sah sie dem Nano bei der Arbeit zu. Die Metallrohre des Schuhregals waren unter der grauen Schicht in sich zusammengefallen. Die resultierende Pfütze aus Paste und aufgelösten Gegenständen zog sich zu etwas Rundem und Konvexem zusammen, in dem das Nano einen Gegenstand formte, wie ein Embryo in einem Ei.
    Noch fünf Minuten. Im Haus war alles ruhig: Von draußen kam das Krachen von fernem Granatfeuer und das Echo von den Hügeln und Bergen in der Umgebung herein. Sie schloß die Augen, schluckte und sammelte ihre geistigen Kräfte.
    Wie lange noch, bis in dem Land ein richtiger Bürgerkrieg ausbrach? Wie lange noch, bis man sie in einem Moment der Erregung als Spionin bezeichnete? Sie stellte sich Soulavier als ihren Henker vor, wie er unter lauter Entschuldigungen von seiner Loyalität gegenüber Colonel Sir sprach.
    Das konvexe Gebilde wurde jetzt klumpig. Sie konnte die grundlegende Form erkennen. Auf der einen Seite wurde überschüssiges Rohmaterial zu Klumpen kalter Schlacke gepreßt. Nano zog sich aus der Schlacke zurück. Griff, Lader, Brennraum, Lauf und Zielvorrichtung. Auf der anderen Seite des konvexen Gebildes formte sich ein zweiter Klumpen, aber nicht aus Schlacke. Ein zusätzlicher Ladestreifen.
    »Sind Sie fertig, Mademoiselle?« fragte Soulavier draußen vor der Tür. Immerhin zuckte sie nicht zusammen. Er war früh dran. Zweifellos hatte man ihn von ihrem Funkspruch unterrichtet; sie war ein böses Mädchen.
    »Fast«, sagte sie. »Noch ein paar Minuten.« Hastig packte sie, ihren Koffer und warf die Schlacke in den Abfalleimer. Sie wusch sich im Bad das Gesicht, betrachtete sich im Spiegel und bereitete sich seelisch auf das Kommende vor.
    Sie nahm die Pistole von der Frisierkommode und steckte sie in ihre Jackentasche. Schmal, kaum eine Ausbuchtung. Das Nano auf der Frisierkommode ballte sich zusammen und kroch wie eine Schnecke in den Griff der Bürste zurück. Seine Oberfläche schimmerte ölig; es war verbraucht. Es würde eine Nährladung benötigen, um weitere Wunder zu wirken. Man hatte ihr gesagt, daß es schon reichen konnte, die Bürste in eine Dose Kola zu stecken. Mary schraubte die Bürste wieder zusammen und packte sie in den Koffer, machte den Deckel zu, nahm den Stuhl unter dem Türknauf weg und öffnete die Tür.
    Soulavier lehnte auf dem Flur an der Wand und betrachtete seine Fingernägel. Er warf ihr einen traurigen Blick zu. »Zuviel Zeit, Mademoiselle«, sagte er.
    »Pardon?«
    »Wir haben zu lange gewartet. Es wird bald dunkel. Wir fahren nicht nach Leoganes.«
    Wenn der zweite Teil ihrer Botschaft durchgekommen war, würde es für die Hispaniolaner durchaus sinnvoll sein, sie an einen anderen Ort zu verlegen. »Wohin dann?« fragte sie.
    »Das überlasse ich meinem Instinkt«, antwortete Soulavier. »Jedenfalls weg von hier, und zwar bald.«
    Sie fragte sich, wie er seine Anweisungen erhalten hatte. Es war möglich, daß er ein Implantat besaß, obwohl solche Technologie auf Hispaniola angeblich nicht gerade an jeder Ecke zu bekommen war.
    »Ich habe versucht, meine Vorgesetzten anzurufen«, sagte sie. »Ich bin nicht durchgekommen.«
    Er zuckte die Achseln. Alle Fröhlichkeit und Lebendigkeit schien von ihm abgefallen zu sein. Er musterte sie mit halb geschlossenen Augen, zurückgelegtem Kopf und ausdruckslosem Mund. »Man hat Ihnen gesagt, daß es nicht möglich sein würde.« Er sprach jedes Wort sehr präzise aus.
    Sie erwiderte seinen Blick, einen Mundwinkel hochgezogen, provozierend. Kein neutraler Fehler hier. »Ich würde trotzdem lieber in diesem Viertel bleiben«, sagte sie.
    »Das haben Sie nicht zu entscheiden.«
    »Aber ich hätte nichts dagegen, nach Leoganes zu fahren.«
    »Mademoiselle, wir sind keine Kinder.«
    Sie lächelte. Sein Benehmen hatte sich merklich geändert; er war nicht mehr ihr Beschützer. Es war nicht nötig, die Veränderung zu verstärken, indem sie sich ihrerseits anders verhielt. »Das habe ich auch nie angenommen.«
    »In mancher Hinsicht

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