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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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hörte.
    Der Name des weißen Zwillings war Hingabe an Sir. Äußerlich war er der weiblichere der beiden; manchmal ließ er sich Brüste und lange braune Haare wachsen, um seinen Bruder zu erschrecken, aber dies war ein Land der Magie und des Wandels, in dem nichts unmöglich war.
    Sowohl Sir als auch Erzulie erklärten ihnen, sie seien Götter und hätten die erhabene Pflicht, über alle Bürger von Guinée Unter Dem Meer zu wachen. Die Zwillinge kamen dieser Pflicht ernsthaft und sorgfältig nach, jedoch nicht immer zur Zufriedenheit von Sir, der schreckliche Wutanfälle bekommen konnte, wenn der eine oder andere Aspekt der Zeremonien nicht richtig beachtet wurde oder etwas anderes schiefging.
    Wenn auf Guinée Unter Dem Meer Schnee fiel und die Städte bis zu den Dachgiebeln bedeckte, wurde Sir stets an seine Niederlage und seinen Tod in alter Zeit erinnert, und er wurde fürchterlich zornig. Wenn er zornig war, verdunkelte sich seine weiße Haut wie das Äußere einer Sturmwolke, und schließlich war er schwarz wie die Nacht,
    schwarz wie die Sünde,
    schwarz wie Eisen
    schwarz wie der Schlaf
    schwarz wie der Tod.
    Sirs Zorn steigerte sich ins Grenzenlose, und er prügelte Martin Emanuel windelweich, während er Hingabe an Sir nur ein paarmal knuffte. Erzulie nahm Martin Emanuel in die Arme, tröstete ihn und versprach ihm, das alles werde bald vorbei sein. Dein Vater ist ein starker und eigenwilliger Mann, erklärte sie ihm. Aber du bist ein sensibles und intelligentes Kind, und du mußt lernen, wie du ihn besänftigen kannst, wie du ihn dazu bringen kannst, dich zu lieben.
    Das war wichtig, wenn man in Guinée Unter dem Meer lebte, denn Sir herrschte über das ganze Land und hatte die Macht über Leben und Tod, Glück und Unglück.
    | Warum kann er dann Frost und Schnee nicht befehlen, zu verschwinden?
    Guinée Unter Dem Meer war in den guten Jahreszeiten ein tropisches Land, bergig und von dichtem Wald bedeckt, in dem Martin Emanuel und Hingabe an Sir nach Herzenslust umherstreiften, wenn sie gerade nichts anderes zu tun hatten. Sie kletterten wie Affen auf Bäume, bauten Festungen in den Bergen und stellten so viele Kanonen hinein, wie Nägel im Beutel eines Schmieds waren. Sie bauten große Schiffe aus den Bäumen des Waldes und schleuderten sie dann über die Strände hinweg ins leuchtend azurblaue Meer.
    Frost und Schnee
    weiß wie Eis
    weiß wie die Sonne
    weiß wie das Leben
    weiß wie eine Eiterbeule
    fuhren mit diesen Schiffen in ferne Länder, füllten sie mit dunklen und mitleiderregenden Kindern des Todes und fuhren damit in andere Länder, um die Kinder zu verkaufen, und als die Schiffe nach Guinée zurückkehrten, stanken ihre Laderäume nach Pestilenz, Ausscheidungen und Verwesung. Martin Emanuel erzählte dem schönen Hingabe an Sir, daß Schnee und Frost ihre hübschen Schiffe kaputtmachten, und sie gingen zu Erzulie und fragten sie, warum man das zuließ, und Erzulie erzählte ihnen eine Geschichte, eine bedeutsame Geschichte, die ihre Erziehung abschließen und sie zu Marassa machen würde, den heiligen Zwillingen.
    Niemals zuvor, hob sie an, in keiner anderen Zeit und an keinem anderen Ort, war Sir ein mächtiger König, der über alle Länder regierte, nicht bloß über Guinée Sous Dleau (sie benutzte den anderen Namen). In jener Zeit war Sir schwarz wie Ebenholz, schwarz wie eine Höhle.
    Es kamen jedoch Frost und Schnee mit mächtigen Schiffen in dieses Land; sie führten Donner und Drohungen mit Wind und Sturm mit sich und fragten Sir, ob sie sein Volk fressen dürften, immer nur ein paar Menschen auf einmal, wofür sie Sir reich entlohnen würden.
    Sir sah, wie die Dinge lagen, und stimmte zu. Ihr dürft alle Menschen meines Volkes für einige Zeit nehmen, sagte er, oder einige Menschen meines Volkes für immer, aber ihr dürft nicht alle Menschen meines Volkes für immer nehmen. Frost und Schnee erklärten sich damit einverstanden und bezahlten ihn mit gewaltigen Haufen von Gold, die er seinen Handwerkern übergab.
    (Damals war es auch, erklärte Erzulie traurig, daß Sir die Frauen aus dem Land von Frost und Schnee sah und es ihn nach ihnen gelüstete; und Hingabe an Sir war bekümmert, aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um zu erklären, warum.)
    Zuerst nahmen Frost und Schnee einige von seinem Volk mit. Diese kehrten nie mehr heim. Sie wehklagten an den Stränden und schüttelten ihre schweren schwarzen Eisenketten und hoben ihre weinenden, zappelnden Babies hoch, als die

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