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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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waren.
    Er war kahl und hatte ein breites Gesicht.
    Der Kadaver blinzelte Martin zu und wand sich ein bißchen, so daß das Gefäß erzitterte. Martin wich zurück.
    Die alte Frau legte Carol den Arm um die Schultern und führte sie durch die Absperrung in den hinteren Teil des Ladens. »Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe«, mahnte sie.
    Martin wandte sich von dem Gefäß ab und musterte die vollgestopften Regale. Wie er erwartet hatte, war der Inhalt der Regale nicht konstant; er änderte sich, wenn er den Blick abwandte und dann wieder hinschaute. Solange er seine Aufmerksamkeit jedoch auf die sortierten Glasgefäße, Dosen und Utensilien richtete, schienen sie so real wie im richtigen Leben zu sein, vielleicht sogar noch realer.
    Er bückte sich, um ein niedrigeres Regal voller Tongefäße in Augenschein zu nehmen, die in Tuch eingehüllt und mit Wachs versiegelt waren. Hinter den Gefäßen lagen Totenschädel. Sie wirkten absolut überzeugend und real, aber keiner von ihnen grinste, wie es menschliche Schädel normalerweise taten. Sie sahen alle verzagt aus.
    Fasziniert von dieser Wiederkehr eines Themas – traurige Totenschädel – langte er hinunter, um einen in die Hand zu nehmen und zu untersuchen. Aber als er ihn berührte, löste sich der Schädel zu Staub auf.
    An der linken Wand des Ladens hingen Holztrommeln in allen Größen an schwarzen Drähten. Die größte war so groß wie Martin. Er blieb neben dieser Trommel stehen und betrachtete die Schnitzereien, die ihren Korpus schmückten. Auch hier änderten sich die Schnitzereien wieder, wenn er wegschaute. Sie behielten jedoch dasselbe Thema bei – Stadtstraßen voller Autos und Strichmännchen, gesäumt von Reihen primitiver, farbloser Blumen, die von großen, knallbunt gemalten Insekten übersät waren.
    Er tippte mit einem Finger auf das straffe Trommelfell. Die Trommel sagte: »Der, den du suchst, ist fort.«
    Martin zog die Hand weg und wich erschrocken zurück. Dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen, und ging wieder zu der Trommel und tippte leicht darauf. »Keine Sonne in diesem Land. Er ist fort.«
    Hinter ihm sagte die Stimme der alten Frau: »Der Assotor ist eine sehr mächtige Trommel. Sie dürfen nicht mit ihr herumspielen. Sie ruft die Geister, und diese sind böse auf Sie, wenn es nichts Wichtiges ist.«
    »Es ist wichtig«, sagte Martin. Carol kam in einem bunten Kaftan hinter dem Vorhang hervor. Ihre langen, blonden Haare fielen ihr offen um die Schultern, und sie lächelte ihn an, aber er konnte ihre Gefühle nicht mehr spüren.
    »Ein unwissender Mensch kommt hierher, und es geht um etwas Wichtiges«, sagte die alte Frau. »Das bedeutet Gefahr.«
    Martin tippte wieder auf die Trommel. »Geht mit Madame Roach«, sagte sie.
    Die alte Frau warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Kommt mit. Ich bin jetzt ein Pferd.«
    Carol kam zu Martin, und sie sahen gemeinsam zu, wie die alte Frau ein weißes Gewand mit Bändern um ihre Schultern legte. Sie spritzte sich den Inhalt mehrerer Gefäße in die Haare, rieb alles ein – der Geruch von Ammoniak, würzigen Kräutern und brennendem Metall erfüllte die Luft – und malte sich dann mit der Paste aus einer Schale auf der Theke ein schwarzes Rad auf die Stirn. Sie richtete ihren Blick auf Martin. Ihre Stimme wurde zu einem tiefen, männlichen Knurren. »Warum hat man mich geholt? Wer ruft diesen vielbeschäftigten Loa, der wichtige Arbeit zu erledigen hat?«
    »Wir müssen… jemand treffen, der hier die Macht hat«, sagte Martin. »Wir müssen ihm Fragen stellen.«
    »Ich spreche durch Madame Roach. Ohne sie haben wir keine Worte. Sie ist unser Pferd. Stellt eure Fragen.«
    »Ich muß wissen, wer du bist. Was du bist.«
    »Ich tanze auf Gräbern. Ich decke die Sonne jeden Abend mit einem Tuch zu. Ich singe zu den Knochen in der Erde.«
    »Wie heißt du?« fragte Martin.
    »Wir sind allesamt Reiter.«
    »Ich muß deinen Namen wissen.«
    Madame Roach erzitterte heftig, bog den Rücken durch und breitete die Arme aus. Eine andere Stimme sprach aus ihrem Mund, die Stimme eines Kindes mit einem perlenden Tremolo.
    »Wir wollen schlafen und sterben. Warum störst du unseren Frieden? Wir sind in Trauer. Morgen ist die Beerdigung.«
    »Wessen Beerdigung?«
    »Die Beerdigung des Königs.« Jetzt verfiel die Stimme in einen unverständlichen Singsang. Madame Roach tanzte leichtfüßig durch die Gänge und stieß Regale um, so daß die Waren des Ladens zu Boden kullerten. Tontöpfe zerbrachen,

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