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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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alle Grenzen bestimmte.
    Martin grinste im Halbdunkel, während er sich eine Wiederholung der AXIS-Berichte anschaute. Er sah sich selbst grinsen und wurde ernst. Es gab eine ganze Latte von Fragen, die einer Antwort bedurften, aber Carol Neumann nahm ihre Anrufe nicht entgegen, und sie hatte keinen Hausmanager.
    Martin schloß die Augen und versuchte, das Zittern abzustellen. Ethische Fragen, allzu offensichtlich und hartnäckig. Goldsmiths Recht, einen solchen Eingriff abzulehnen. Dennoch: ein Dichter, ein Mörder, dessen Geisteslandschaft die Verarbeitung unterbewußter Kräfte durch einen Künstler reflektieren würde… Eine einmalige, einzigartige Chance.
    »Ich bin kein schlechter Mensch«, sagte er laut. »Was mir zugestoßen ist, habe ich nicht verdient, ebensowenig wie das hier.« Was, das hier. Skrupel. Chance/Versuchung.
    Albigoni hatte nichts zu verlieren. Wenn Martin ihm nicht gab, was er wollte, dann konnte es niemand, außer vielleicht die Schatten/Doppelgänger von Martin Burke, die es irgendwo geben mochte, die seine Entdeckungen stahlen, die mit brutaleren, zu Klauen gekrümmten Fingern in seinem Acker wühlten, jene, die weitaus weniger Skrupel hatten, die vielleicht auf Hispaniola lebten und die Landschaft des Geistes nicht entwickelten, sondern ausbeuteten und die ihm sogar jetzt voraus waren, Krokodil gegen Hasen, Krokodil frißt Hasen.
    Martin war kein schlechter Mensch. Albigoni hatte Goldsmith nicht schnurstracks nach Hispaniola ausgeflogen und Colonel Sir John Yardley bezahlt, was dieser haben wollte, also war Albigoni auch kein schlechter Mensch. Yardleys Gefängnisse und Labors waren natürlich Gerüchte; trotzdem, Albigoni hatte die Verbindungen, solche Gerüchte bestätigen oder ausräumen zu lassen. Albigoni hatte nicht die Absicht, Goldsmith etwas zuleide zu tun. Goldsmith hingegen war ein schlechter Mensch, keine Frage; ihm würde nichts geschehen, aber die Sondierung – die Nagelprobe auf seine Forschungsarbeit – war eine Wiedergutmachung eine Chance ein Lohn, die Wiederherstellung seines Werts für die Menschheit.
    Martin ließ sich auf die Couch zurücksinken. Er zitterte immer noch. Seine Finger waren ineinander verschränkt. Kein schlechter Mensch. Vielleicht nicht einmal eine böse Tat.
    Er stand auf und rief noch einmal bei Carol an.
    »Hallo.«
    Er zuckte überrascht zusammen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Hallo, Carol. Hier ist Martin.«
    »Dachte ich mir, daß du anrufen würdest. Ich war bei der Arbeit.«
    Martins Anspannung brach sich Bahn, bevor er sie unter Kontrolle bekam. »Himmelherrgott, Carol, du hast mich in eine fürchterliche Klemme gebracht, verdammt nochmal.«
    »Du meine Güte. Tut mir leid.«
    »Ich möchte wissen, ob du mich haßt.«
    »Ich hasse dich nicht. Hör mal, ich bin gerade zur Tür rein. Wir können reden, aber nicht heute abend. Es ist zu spät. Ich hab einen Vertrag mit Mind Design Inc. im Sorrento Valley. Über die StarTemp-Agentur, weißt du. Wenn du dahin kommen kannst…«
    »Ja. Ich weiß, wo das ist. Welches Labor?«
    »Einunddreißig. Morgen vormittag?«
    »Um zehn.«
    »Ich hasse dich nicht, Martin. Ich weiß nicht, ob ich sollte, aber es ist nicht so. Laß uns morgen reden.«
    Sie verabschiedeten sich kurz.
    Die AXIS-Wiederholungen hatten ihren Reiz verloren, und er schaltete den Bildschirm mit einem knappen ›Aus‹ ab. Mit einem gewissen Schuldbewußtsein begriff er, daß sein Zittern nicht von einem moralischen Dilemma herrührte; in Wirklichkeit hatte es vom Augenblick des Angebots an keins gegeben. Er zitterte vor Ungeduld und Erregung.

In der weißen Gesellschaft ist jeder Schwarze ein Tanzbär. So komme ich mir manchmal bei meiner weißen Frau vor, obwohl nicht das leiseste Anzeichen dafür spricht, daß sie dergleichen denkt. Liebt sie mich, weil ich der einzige schwarze Schriftsteller bin, der in dieser Generation die Chance bekommen hat, sich in den USA hervorzutun? Einer pro, ein altes Gesetz. Der größte Makel ist derjenige, den die Geschichte in meiner eigenen Seele hinterlassen hat. Ich kann sie nicht lieben; ich sehe sie mit zernarbten Augen.
     
11
     
    Richard Fettle kam um sieben Uhr zu seiner Wohnung im Schatten zurück. Langsam stapfte er über bröckelnden Beton und eine Stahltreppe nach oben. Er schob eine Unzahl brauner und gelber Bananenblätter beiseite, die bis zum Treppenabsatz im Erdgeschoß vorgedrungen waren, steckte seinen glattgescheuerten Messingschlüssel in das komplizierte Schloß

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