Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
auf und brachte ein in Saugfolie eingewickeltes Päckchen Dauerfleisch zum Vorschein. »Damit kann ich Wunder wirken«, erklärte sie. »Hast du Kartoffeln da?«
    »Getrocknete.«
    »Es gibt Fleischpastete in Kartoffelteig.«
    »Danke, daß du rübergekommen bist«, sagte er.
    »Ich bin nicht immer gut für dich«, meinte Nadine spröde und senkte den Blick auf den Teppich. »Aber ich weiß, wann du jemanden brauchst, und heute nacht solltest du nicht allein schlafen.«
    Die Fleischpastete schmeckte dezent nach Salz, Knoblauch und Kartoffeln und erinnerte ihn damit an Nadine, eine Salz-und-Knoblauch-Frau. Beim Essen redete sie von der Schattenvid-Industrie damals und heute; sie hatte immer noch mit ihr zu tun. Sein Verstand wurde von seinem aktuellen Problem abgelenkt, bis zwischen ihm und der Erinnerung an die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit eine Kluft entstand, und er hörte ihr zu, so müde, daß er die blassen Doppelbilder von Halluzinationen sah. Eine blaue Regenmantelgestalt im Augenwinkel.
    »Diese Szene haben sie mit Musik gemacht«, erzählte Nadine von einer zehn Jahre zurückliegenden Vidproduktion. »Der Regisseur mußte zeigen, daß der Musiker – ein Cellist – jetzt wirklich viel besser spielte als zuvor, und der Mann, der für die Musik zuständig war, sagte, aber unser Soundtrack ist schon das beste, was wir kriegen können. Er spielt Cello, und der beste Cellist der Welt spielt hinter ihm, aber es gab keinen Kontrast. Da sagt der Regisseur: ›Besorgt einen, der richtig rumschmalzt.‹ Einfach so. Einen, der rumschmalzt. Wenn der Beste nicht gut genug ist, geht man einen Schritt weiter und nimmt den offenkundig schlechten. Ist das nicht toll?« Sie lächelte breit, die Hand in einer demonstrativen Geste erstarrt, und er gluckste höflich und nickte, ja, so läuft das. Richard konnte nicht umhin, höflich und nett zu ihr zu sein, wenn sie in dieser Stimmung war, und es war eine gute Geschichte.
    Er aß und dachte über Kontraste nach. Sein Verstand wanderte wie ein Kettenhund, der eine Eisenspitze umkreist, zu Goldsmith zurück. Was tut man, wenn man der Beste ist und Kontrast braucht, weil sonst alles grau ist?
    + Entlastung durch großes Melodrama. War es das.
    Die blaue Gestalt lächelte. Das wußte er, ohne es deutlich zu sehen. Seine Tochter. Er konnte nicht umhin, den Versuch zu machen, die Gestalt direkt anzusehen. Sie verschwand jedesmal.

1100-11000-11111111111
     
(Nachdem der Prüfer seine Arbeit mit den Schuldigen von zehn Welten beendet hat, entdeckt er auf seinem Schreibtisch plötzlich die Mappen mit den Lebensläufen einer Reihe terrestrischer Größen. Er seufzt und sieht sie nacheinander durch. Dieser große Mensch hat durch diese und jene Erfindung hundert Millionen vernichtet; jener andere hat durch seine Philosophie Milliarden in die Irre geführt. Nun hat er sie am Hals, und er wird immer müder.)
PRÜFER: »Bitte, Vater, es reicht! Ich habe die Schuldigen abgeurteilt. Warum muß ich die Besten und Klügsten verurteilen?«
(Keine Antwort.)
(Der Prüfer läßt – vielleicht resigniert – die Mappen auf den Schreibtisch fallen.)
PRÜFER: (murrt) »Du könntest mir wenigstens einen Computer geben.«
     
12
     
    Mary Choys Hausmanager weckte sie um sechs mit beharrlichem Klingeln. Sie tauchte aus einem Traum auf, in dem sie bei Newport Beach mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in der Brandung geschwommen war. »Himmelherrgott. Was ist denn?«
    »Chefinspector D Reeve.«
    »Wieviel Uhr ist es? Und was für eine Tageszeit?«
    »Sechs Uhr morgens, Mary.«
    »Stell ihn durch. Kein Bild.« Sie setzte sich im Bett auf, hob die Arme über den Kopf und streckte sich, um Blut in ihr Gehirn zu befördern. Schüttelte sich heftig. Ließ ein Bein über den Bettrand hängen. Sie hatte bis zwei Uhr ergebnislos die Zinken durchstöbert; keiner von Goldsmiths Bekannten hatte auch nur ein Fitzelchen von dem Mann gesehen.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Inspector Choy.« Reeve machte selbst einen erschöpften Eindruck. Sein Gesicht auf dem Vid hatte einen dunklen Oliveton, und seine Lider waren schwer.
    »Guten Morgen, Sir.«
    »Sie hatten mit der Khamsang-Phung-Entführung durch Selektoren Anfang dieses Jahres zu tun, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    »Ich habe eine Botschaft in meinem Schreibtischspeicher, daß Sie angerufen werden wollten, wenn wir Verdächtige in diesem Fall aufspüren.«
    Sie stand auf und schüttelte die Hände aus. Sie war jetzt ganz wach. »Ja, Sir.«
    »Wir haben

Weitere Kostenlose Bücher