Königin der Engel
Haitianer, General de Franchines, ein Mann mit einer Vision, ein Mann von Ehre, und schloß Pakte mit den Königen, den Königinnen und Bischöfen, schmiedete die undisziplinierten Horden zu Armeen und machte die Kubaner fertig.
Aber die blancs aus den USA, die unterstützen die Kubaner und die Dominikaner; da hat General de Franchines Soldaten aus Zimbabwe angeheuert und einen englischen Revolverhelden ins Land geholt, der einst von König Charles zum Ritter geschlagen worden war, und dieser Revolverheld sieht das schöne Land, die Gelegenheit, und er hat einen Plan. Er wendet sich gegen de Franchines, er hetzt die Leute gegen unseren General auf, er wird General, ohne sich je so zu nennen, und er kämpft im Feld wie ein Soldat. Er ist ein guter Soldat; die Kubaner fliehen, und die dominikanischen Egalistes, sie suchen Zuflucht in Puerto Rico und Kuba, und die Amerikaner erkennen diesen Colonel Sir an, der seinen Rang vor seine Ritterwürde stellt. Vielleicht auch vor seine Menschenwürde.« Der fette Mann lächelte Mary an, ein gewinnendes, übermütiges Lächeln, unerwartet bei der massigen Gestalt. Er trug sechs dicke, schlichte Goldringe an der rechten Hand. »Colonel Sir John Yardley, der Volksheld. Unser Held vielleicht auch, damals. Wir waren Kinder, was wußten wir schon. Er brachte Geld, Ärzte und Nahrung. Er lehrte uns, in diesem Jahrhundert zu leben und unsere Gäste zufriedenzustellen, die mehr Geld brachten. Er brachte uns bei, uns mit Komfort und Medizin und Maschinen zu befassen. So machte er Hispaniola weiß. Jetzt bekennen sich die Menschen mit den Lippen zu den Göttern, aber sie fühlen sie nicht, sie brauchen sie nicht, sie haben weißes Geld, und das ist besser.«
»Was für ein Mensch ist Yardley?« fragte Mary. Die große, gutgekleidete Frau sagte etwas auf Kreolisch.
»Seine Villa ist ein kleines Haus in der Nähe von Port-au-Prince«, sagte der fette Mann leise. »Er täuscht einen mit seiner Bescheidenheit. Er wohnt hinter der großen Villa, in der er all die ausländischen Würdenträger empfängt, und er sorgt dafür, daß man auch weiß, wo sein Bett steht. Seine Frauen sind alle weiß, außer einer, seiner Ehefrau; die ist eine Prinzessin von le Cap. Cap Haïtien. Ich liebe sie immer noch wie eine Mutter, obwohl sie ihn liebt. Sie hat einen mächtigen Geist, und sie schenkt ihn Colonel Sir, und der Geist sagt ihm, wie er die Hispaniolaner allesamt dazu bringen kann, ihn zu lieben. Deshalb lieben sie ihn immer noch.«
Mary zuckte die Achseln, wandte sich von dem fetten Mann und der großen Frau ab und sah Ernest an. »Er erzählt mir nur, was ich schon weiß«, sagte sie leise, »außer wenn er es mit seinen eigenen politischen Ansichten färbt.«
Der fette Mann fuhr zurück, als ob er eine Ohrfeige bekommen hätte. »Was? Was?«
»Ihr erzählt uns nichts, was wir nicht auch in einer Bibliothek erfahren könnten«, sagte Ernest.
»Eure Bibliotheken müssen großartig sein. Dann braucht ihr uns nicht«, sagte der fette Mann. »Colonel Sir ist nicht mehr der Mann, der er früher war. Findet ihr das in euren Bibliotheken? Er hat die Wirtschaft in Schwung gebracht, hat Arbeit und Fabriken ins Land geholt, hat unsere Jugend zu Soldaten gemacht und unseren Alten ein Zuhause gegeben. Er hat die Gerichte gerecht und die Onkelchen…«
»Die Polizei«, warf die große Frau ein.
»… die Polizei zu Beschützern der Insel gemacht. Er hat Touristenzentren gebaut und die Strände gesäubert, er hat die Paläste wiederaufgebaut und Museen eingerichtet und sie sogar mit Kunstwerken gefüllt. Wer wußte schon, woher das Geld kam? Es kam eben, und er gab den Menschen zu essen. Aber jetzt ist er nicht mehr der alte. Er bekommt keine Aufträge mehr. Die Welt hat es jetzt auf ihn abgesehen. Euer Präsident ist von eigener Hand gestorben. Vielleicht hätte es eine silberne Kugel sein sollen, wie bei Christophe!«
»Halte deine Gefühle im Zaum«, mahnte die große Frau den fetten Mann.
»Jedenfalls ist er verbittert«, schloß der fette Mann und wedelte nonchalant mit seiner beringten Hand.
»Wissen Sie etwas über Emanuel Goldsmith?«
»Der Dichter«, sagte der fette Mann. »Colonel Sirs Wortschmied. Colonel Sir benutzt den Dichter. Erzählt ihm, daß er ihn liebt. Pah!« Der fette Mann hob seine dicken Arme hoch und schüttelte seine Hängebacken gegen die Decke. »Er hat einmal zu mir gesagt: >Ich habe einen Dichter. Ich brauche keine Geschichte.<«
»Würde er diesen Mann bei sich
Weitere Kostenlose Bücher