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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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wird niemand verurteilt. Das Gerichtsverfahren kommt später. Ich muß ihn bloß finden.
    Der hypothetische Zweifler brachte sein Mißtrauen gegen die PDs und ihre Taktik zum Ausdruck, verglich sie mit Raphkinds Politschlägern und hatte nur Hohn und Spott für die Exzesse von Recht und Ordnung. Gesundheitsfanatische USA, die Zweifel anstachelten. Der Gesichtsausdruck von Ochoas weißer Partnerin: Sie selbst umlegen. Der einzige Weg, um sicher zu sein. Außer wenn ein Selektor den Schurken zuerst in die Finger bekommt.
    Ihr Reverstelefon klingelte, und sie stellte ihren Kaffee ab.
    »Mary, hier ist Ernest. Ich hab dein Interview. Heute am späten Abend, zweiundzwanzig Uhr, und es ist in einem Comb, so daß es für dich ziemlich ungefährlich sein müßte.«
    »Haben deine Kontaktleute bei uns Asyl?«
    »Müssen Sie wohl, aber ich weiß nicht, wieso oder warum. Gute Connections. Du versprichst mir, mich nicht zu fragen, woher ich sie kenne.« Keine Frage, eine Forderung.
    »Ich versprech’s.«
    Er gab ihr die Nummern, und sie notierte sie auf ihrer Taschentafel. Der Minibus fuhr durch einen Seitentunnel auf den Hof der PD-Zentrale und setzte sie dort ab. Ochoa sah sie durch das gekrümmte Fenster ernst an. Aus einem Impuls heraus warf sie ihm ein mädchenhaftes Grinsen zu und winkte mit gespreizten Fingern. Ochoa runzelte die Stirn und wandte sich ab.
    In ihrem kleinen ständigen Büro hingen drei gerahmte Drucke – Parrish, El Greco und Daumier –, die sie vor Jahren von einem intimen Freund bekommen hatte. Sie waren an Scharnieren über der üblichen Amtszimmerdekoration befestigt, den Statustafeln, die allen PDs einen Eindruck von der Stadt gaben. Sie klappte die Drucke jetzt beiseite, starrte ein paar Minuten lang auf die Tafeln und nagte an ihrer Unterlippe.
    Nur ein Touristenaufenthalt. Aber der Gedanke, sich auf Druck des Bundesamtes auf dem Festland mit Colonel Sir John Yardley zu treffen…
    Sie schloß die Tür, stellte einen uralten, runden Make-up-Spiegel auf den schmalen Schreibtisch, machte den Gürtel auf, zog Hose und Höschen herunter und inspizierte ihre Pofalte. Immer noch hell verfärbt. Vielleicht wurde sie wieder ganz weiß. Was Sumpler dann wohl sagen würde? Der Gedanke oder vielleicht auch die Kälte an ihrem Hintern ließ sie frösteln. Verärgert vor sich hinmurmelnd zog sie sich wieder an und steckte den Spiegel weg.
    Zeit zum Abendessen. Sie konnte sich etwas aus der Küche unten heraufkommen lassen, gutes Nanoessen, oder sie konnte sich eine komplette Datei der PD-Bibliothek über Haiti in ihre Tafel laden, diese mitnehmen und unterwegs in einer privaten Nische in einem teuren Combrestaurant essen.
    Sie entschied sich für letzteres, lud ihre Tafel über das Büroterminal, hinterließ in Dr. Sumplers Praxis eine Nachricht, die zweifellos erst nach den Ferien bearbeitet werden würde, und ging. Draußen schrieb sie ans schwarze Brett, daß sie frühestens in einer Woche zurücksein würde.

Dunkelheit ist deine Heimat, und dennoch wirst du leugnen, sie zu kennen, wenn du sie aufsuchst.
     
22
     
    West-Comb Zwei hatte einen guten Ruf. Unter den Bürgern des Schattens war es weit verbreitet, eine stereotype Meinung von Comb-Bewohnern zu haben: gesetzt respektabel immer ruhig und langweilig. Aber West-Comb Zwei im Norden von Santa Monica mit Ausblick auf Pacific Palisades, einer der teuersten und exklusivsten Combs in LA, war das Zentrum von Arbeitern der LitVid-Industrie sowie der Lieblingscomb aller Propmedia-Kreativen. Zufälligerweise war er auch der Wohnort von Managern der Arbeitsvermittlungen und von Schauspielern, die ihre Bilder und Persönlichkeiten für LitVid-Hand verkauften – ein verqueres sprachübergreifendes Wortspiel, das zuerst von dem Wort Manipulation abgeleitet war und dann über das spanische mano wieder Eingang ins Englische gefunden hatte. Wenn man gehandet wurde, bekam man Tantiemen für alles, was sein Geist tat, ein computergeneriertes Bild, das für gewöhnlich absolut nicht mehr vom echten Menschen zu unterscheiden war. Manche der Gehandeten behielten die Nutzungsrechte, andere Rechte am Gesicht oder am Körper; wieder andere verkauften alles.
    Heutzutage riskierten es nur wenige LitVids, die Rollen mit echten Schauspielern zu besetzen oder auch nur welche auftreten zu lassen, geschweige denn in echten Kulissen zu drehen; der LitVid-Unterhaltungssektor und sogar ein großer Teil des Dokumentarsektors war fest in der Hand der unsichtbaren Götter der

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