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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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außerdem kennt er diese beiden Schiffe nicht«, schlug Rackham Annes Warnung vor Woodes Rogers in den Wind. Sein Zustand hatte sich nicht gebessert. Noch immer verbrachte er viel Zeit in seiner Kabine, dämmerte vor sich hin. Anne nahm sich jeden Piraten einzeln vor und redete den Männern ins Gewissen.
    »Er ist krank. Wir werden ihn nicht im Stich lassen!«, schärfte sie der Mannschaft ein. Virgin sah es mit wachsendem Unmut, konnte jedoch nichts dagegen unternehmen.
    »Ein Segel! Ein Segel!«, schrie der Ausguck. Henry Virgin nahm das Fernglas und kletterte in die Takelage.
    »Es ist ein Sklavenschiff. Sie fahren unter der Flagge der Royal African Company«, rief er herunter. Die Piraten jubelten. Sklavenschiffe waren leicht zu kapern und boten meist reiche Beute. Anne ging zu Rackham und fand ihn tief schlafend. Ohne mit ihm gesprochen zu haben, kehrte sie an Deck zurück und tat, als überbrächte sie seinen Befehl: »Alles fertig machen zum Entern.« In der hektischen Betriebsamkeit, die jetzt an Bord ausbrach, fragte niemand nach dem Kapitän.

    Angegriffen von drei Schiffen, die erst in letzter Minute die Piratenflagge hissten, leisteten die Briten kaum Widerstand. Mannschaft und Offiziere der Bladen wurden getrennt und gefesselt. Rackham verschlief die Attacke in seiner Kabine. Virgin als sein Stellvertreter hatte das Kommando an Deck, während Anne mit ein paar Männern den Laderaum inspizierte.
    Sie hielt den Atem an. Der Gestank, der ihr entgegenwaberte, war schlimmer als in jeder Bilge.
    Es war eine Fracht von etwa zweihundert Männern und Frauen. Schulter an Schulter, an Händen und Füßen gefesselt, lagen sie in zwei Reihen an den Seiten des Unterschiffs. Jeder Vierte war zusätzlich mit den Fußknöcheln an einen Stützpfeiler gefesselt, sodass sich die geschundenen Menschen kaum bewegen konnten. Seit Wochen waren sie zusammengepfercht. Kranke, hochschwangere Frauen, Sterbende auf Gedeih und Verderb aneinandergekettet. Unter den groben Brettern, auf denen sie halb saßen und halb lagen, schwappte eine Brühe aus Schlag wasser und Exkrementen. Anne konnte den Anblick kaum ertragen und ging wieder an Deck.
    »Virgin, da unten liegen Hunderte von Menschen, tot und lebendig mit Ketten gefesselt. Wir müssen die Toten ins Meer werfen, wenn die anderen eine Chance haben sollen zu überleben, aber dafür brauchen wir die Schlüssel zu den Ketten.« Virgin sah sie zweifelnd an.
    »Du willst sie doch nicht etwa freilassen? Sie werden versuchen, uns umzubringen.« Anne schüttelte energisch den Kopf.
    »Wir müssen sie an Deck bringen, waschen und ihre Wunden versorgen. Sonst sterben sie uns unter den Händen weg, bevor wir den nächsten Hafen erreichen, in dem wir sie verkaufen können.« Die Aussicht, Geld zu verdienen, tat ihre Wirkung. Virgin ging zu den Offizieren, besorgte die Schlüssel, bestand aber darauf, dass die Sklaven nur unter strenger Bewachung ihr Quartier verlassen durften. Bedroht von den Pistolen und Musketen der Piraten schleppten sich die Afrikaner nach oben. Einige konnten kaum gehen. Sie waren mit Stöcken und Peitschen auf die Fußsohlen geschlagen worden. Die aufgeplatzte Haut hatte sich entzündet und eiterte.
    Nachdem alle Verstorbenen über Bord geworfen worden waren,
ging Anne auf die Juliana , um Rackham aufzusuchen. Der Kapitän saß an seinem Tisch und sah sie aus trüben Augen an.
    »Calico, was für ein Glück, dass du wach bist. Geht es dir besser?« Anne betrachtete ihn besorgt. Rackham zuckte die Schultern.
    »Es geht einigermaßen.« Anne berichtete ihm von den Ereignissen der letzten Stunden.
    »Du musst an Deck kommen, dich der Mannschaft zeigen. Virgin hat das Kommando an sich gerissen. Wenn du dich noch länger in deiner Kajüte verschanzt, werden die Männer dich abwählen und ihn zum Kapitän machen.« Rackham nickte und stand auf. Es dauerte einen Moment, bis er seinen Schwindel unter Kontrolle hatte und die Kajüte verlassen konnte. Oben hatte Virgin inzwischen befohlen, dass die Sklaven frisches Meerwasser bekamen, um sich zu waschen. Einige waren so schwach, dass sie sich nicht selbst reinigen konnten, andere so durstig, dass sie das Salzwasser aus den ledernen Eimern tranken. Anne sprang auf einen Mann zu und riss ihm den Eimer aus den Händen.
    »Bist du verrückt! Damit bringst du dich um!« Der Mann sah sie verständnislos an.
    »Gib den Befehl, dass die Leute Wasser und etwas zu essen bekommen«, bat sie Calico. »Mit jedem Neger, der stirbt, verlierst du

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