Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
Vom Netzwerk:
kleine Junge strampelte unwirsch. Grandma Del legte ihn auf den Boden und begann, ihn gewissenhaft mit dem Rum-Wasser-Gemisch zu waschen. Der Säugling brüllte wie am Spieß. Anne schreckte hoch und fragte besorgt: »Was machst du mit ihm?«
    »Ich wasche ihn ab, er kann ja nicht sein ganzes Leben mit dem Geschmier am Körper verbringen.« Der Knabe schrie noch immer aus Leibeskräften und beruhigte sich erst, als Delilah ihn in ein frisches Tuch wickelte und wieder in den Arm seiner Mutter legte. Grandma
Del ging in die Küche und kam mit einem in Buschtee getauchten Lappen zurück.
    »Wenn er weint, gib ihm das. Versuch jetzt zu schlafen, und ab morgen wirst du ihn stillen, wann immer er Hunger hat. Du musst darauf achten, dass er nicht schreit. Er hat eine kräftige Stimme, und kräftige Stimmen sind begehrt. Es gibt böse Geister, die kommen, um solche Stimmen zu stehlen, und dann wird dein Kind stumm.« Anne hielt ihrem Sohn den teegetränkten Zipfel an den Mund und beobachtete lächelnd, wie der Kleine gierig daran sog. Währenddessen fischte Grandma Del die Münze aus der Schüssel, legte sie auf die Nabelschnur und schlug beides zusammen in ein weißes Tuch. Dann ging sie vor das Haus und grub ein Loch. In der Kammer hörte Anne ihr Gemurmel, das wie eine beschwörende Zauberformel klang. Delilah beerdigte das Päckchen, deckte es mit Erde zu und begoss die Stelle mit dem Waschwasser des Säuglings. Zufrieden kehrte sie zum Wochenbett zurück.
    »So, jetzt kann deinem Kleinen nichts mehr geschehen.«
    Neun Tage musste Anne mit ihrem Sohn auf Delilahs Anweisung in ihrem Zimmer verbringen. Neun Tage, in denen Grandma Del zum Schutz des Kindes darauf bestand, dass es nicht bei seinem Namen genannt wurde. Erst am zehnten Tag durfte Anne aufstehen und laut sagen, wie sie ihren Sohn nennen wolle.
    »Er heißt Jack, wie sein Vater«, verkündete sie stolz, ging vor das Haus und atmete gierig die frische Luft ein.

-25-
    D rei Monate später, Anne trug längst wieder Hosen und hatte den kleinen Jack mit Grandma Dels Hilfe abgestillt, spürte sie das wohlvertraute Brennen.
    »Ich muss wieder auf See. Gebe Gott, dass Calico bald kommt und mich abholt.« Sie warf einen Blick auf den Weidenkorb, in dem ihr Sohn schlief. Sie vermisste Calico. Ihr Platz war an seiner Seite, aber der Gedanke, den Kleinen zurücklassen zu müssen, bereitete ihr Unbehagen, und doch war sie sicher, das Richtige zu tun. Ein Piratenschiff war kein guter Platz für ein Kind, und Annes Sehnsucht nach dem Leben auf See wuchs mit jedem Tag.
     
    Calico Jack Rackham und seine Besatzung hatten die vergangenen Monate damit verbracht, die Juliana zu überholen, ein paar kleine Schaluppen zu kapern und vom Erlös der Beute in den kubanischen Häfen und Buchten gut gelebt. Inzwischen waren die Sarah und die Shelter mit dem Lösegeld für Mrs. Thomson eingetroffen. Zusätzlich zu dem erpressten Geld für seine Frau hatten die Piraten dem wohlhabenden Mr. Thomson auch noch einen Großteil seiner Ziegen weggenommen, die Tiere geschlachtet und die Häute verkauft. Die einzige schlechte Nachricht, die sie von ihrem lukrativen Ausflug nach Venezuela mitbrachten, war, dass Finn Benzon sich abgesetzt hatte. Während des Aufenthalts in Maracaibo hatte der Arzt eine Frau kennengelernt und war nicht auf das Schiff zurückgekehrt. Rackham quittierte die Neuigkeit mit einem Achselzucken.
    Außer Jubilo und Mary nahm er nur noch ein paar Männer auf die Sarah und brach nach Pinos auf, um Anne abzuholen.

    Anne ging jeden Tag zum Hafen und hielt nach dem Schiff Ausschau. Als es endlich in Sicht kam, machte sie einen Freudensprung. Während sie das Wiedersehen mit Calico und den anderen in einer Taverne feierte, passte Grandma Del auf den kleinen Jack auf.
    Trotz ihrer Euphorie merkte Anne sofort, dass sich Calico verändert hatte. Nicht nur, dass er deutlich an Gewicht verloren hatte, er wirkte stiller, langsamer, fremd. Der Mann, der sonst vor Tatendrang kaum zu halten war, saß merkwürdig abwesend in einer Ecke, trank sein Bier, mochte nichts essen und nahm kaum an den Gesprächen teil.
    »Seit Wochen ist er so«, antwortete Mary, als Anne fragte. »Wir können es uns auch nicht erklären. Er kommt kaum noch an Deck. Manche Tage verdöst er in seiner Kajüte, liegt auf dem Bett und ist zu müde, um Befehle zu geben. Henry Virgin hat das Sagen an Bord. Die Männer haben ihn zwar noch nicht zum Kapitän gewählt, aber wenn sich nicht schnell etwas ändert, wird das

Weitere Kostenlose Bücher