Koenigin der Meere - Roman
dass wir den Toten, die wir über Bord geschmissen haben, nicht auch vorher die Ohren abgeschnitten haben!« Virgin warf einen bedauernden Blick in den Beutel.
»Dafür, dass er uns nichts davon gesagt hat, lassen wir den Kapitän büßen!«
-26-
H enry Virgin machte Ernst. Vier Piraten packten den Kapitän der Bladen und schleppten ihn zum Hauptmast. Sie rissen dem Mann die Uniform vom Körper und trieben ihm durch jeden Fuß einen Nagel. Schreiend versuchte er sich zu wehren, doch seine Gegner waren unerbittlich. Sie rissen seine Hände nach hinten und schlugen sie mit Nägeln an den Mast. Virgin stellte sich vor ihn.
»Hör auf zu jammern, du Dreckskerl. Du weißt doch aus eigener Erfahrung, dass Jammern nicht hilft, oder hast du hingehört, als deine Gefangenen brüllend wie die Tiere verreckt sind?« Er zog sein Entermesser aus dem Gürtel und schlitzte dem Kapitän den Bauch auf. Blut und Gedärm quollen aus der Wunde, der Mann war noch immer bei Bewusstsein. Stöhnend warf er den Kopf von rechts nach links, bis ihn eine Ohnmacht von seinen Qualen erlöste.
»Schmeißt ihn ins Wasser, wenn seine verdammte Seele zur Hölle gefahren ist, aber erst dann!« Virgin steckte ungerührt sein Messer wieder ein.
Auf der Juliana litt Rackham in seiner Kajüte unter heftigen Entzugserscheinungen. Anne und der Arzt saßen bei ihm, hielten ihn fest, wenn er sich, von Krämpfen und Schweißausbrüchen geschüttelt, auf dem Bett hin und her warf.
»Das Schlimmste ist überstanden«, sagte Ben Hamilton schließlich und schloss seine Tasche.
»Bleiben Sie bei ihm, bis er wieder zu sich kommt, und flößen Sie ihm so viel Wasser wie möglich ein. Er wird sich übergeben, versuchen Sie es so lange, bis er etwas bei sich behält. Ich werde mich jetzt um die Schwarzen kümmern.«
Als Calico auf wachte, ging es ihm besser. Er richtete den Oberkörper auf. Anne strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn.
»Du hast es geschafft. Der Arzt sagt, es wird noch eine Weile dauern, aber dann bist du wieder ganz der Alte.« Sie lächelte.
»Wie viele Sklaven haben wir erbeutet?«, fragte Rackham mit schwacher Stimme.
»Ich habe sie noch nicht gezählt, aber ich vermute, es sind über hundertfünfzig Männer und Frauen und ein paar Kinder. Die Schiffe sind klar zum Ankerlichten. Du musst nur sagen, welchen Kurs du willst.«
»Wir können nicht nach Jamaika, dort erwischt uns der Gouverneur, wenn wir versuchen, so viele Neger zu verkaufen. Barbados ist der nächste Hafen, wo wir sie zu einem guten Preis loswerden können. Dort finden ständig Auktionen statt.« Rackham sank zurück auf sein Kissen.
»Was soll mit der Mannschaft geschehen?«, fragte Anne.
»Tote Katzen miauen nicht.« Rackham schloss die Augen.
»Du willst sie doch nicht alle umbringen lassen? Warum denn? Gib ihnen die Sarah. Wir haben genug Leute, um die großen Schiffe zu manövrieren. Es ist schon so viel Blut geflossen.« Anne erinnerte sich mit Grausen an die Brutalitäten der Vergangenheit. Calico war zu schwach, um ihr zu widersprechen.
»Dann sag oben Bescheid, wir segeln mit den Sklaven nach Barbados, und wer nicht mitwill, kann auf der Schaluppe sein Glück versuchen. Und jetzt lass mich schlafen.«
Anne ging zu Virgin und teilte ihm die Entscheidung des Kapitäns mit. Angewidert sah sie den sterbenden Offizier am Mast. Sein Leib war voller Fliegen, die sich in der offenen Bauchwunde niedergelassen hatten. Virgin sah sie ungläubig an.
»Er will die Sarah einfach aufgeben? Ich spreche selbst mit ihm.« Er ging in die Kapitänskajüte und versuchte, Rackham umzustimmen.
»Virgin, ich danke dir, dass du das Kommando während meiner Krankheit so erfolgreich übernommen hast, aber jetzt geht es mir besser, und ich sage dir, wir töten sie nicht. Nimm alles an Proviant, was noch essbar ist, lass ihnen keine Waffen, und schick sie zum Teufel.
Wir nehmen Kurs auf Barbados, verkaufen die Sklaven und machen uns mit der Beute eine schöne Zeit.« Widerwillig beugte sich Virgin dem Befehl seines Kapitäns.
Schon nach einer Woche stellte sich heraus, dass die Vorräte niemals ausreichen würden, um die Besatzungen und die Gefangenen zu verpflegen, bis sie die Insel erreichten. Die Männer versuchten Fische zu fangen, Virgin reduzierte die Rationen, es war trotzdem zu wenig.
Jubilo entdeckte eine Seekuh direkt neben dem Schiff. Aufgeregt rannte er zum ersten Maat und zeigte ihm das Tier. Die Aussicht auf das zarte, frische Fleisch weckte die Lebensgeister
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