Koenigin der Meere - Roman
dem Fenster. In Straßen, so breit, wie es in ganz Kinsale nicht eine gab, drängten sich Pferde und Maultierdroschken. Dann wieder sah sie kleine Gassen, so eng, dass nicht einmal die klapprigste Mähre hindurchgepasst hätte. Gepflegte große und kleine Häuser mit Vorgärten, in denen blühende Ziersträucher in paradiesischer Farbpracht prangten.
Der Anbau von Reis und Baumwolle hatte Wohlstand in die Provinz gebracht, und Menschen aus allen Ländern der Welt wollten daran teilhaben. Elegante Herren promenierten plaudernd zwischen schwer bepackten Sklaven. Händler priesen lautstark ihre Waren an. Plantagenbesitzer, hoch zu Ross, präsentierten ihren Reichtum mit dicken Zigarren und Uhrketten aus massivem Gold. Damen in Roben aus Seide und Taft setzten ihre zierlich beschuhten Füße einen vor den anderen, gefolgt von Sklaven, die Mühe hatten, die Sonnenschirme stets über den Köpfen ihrer Herrinnen zu halten.
Anne zerrte an Margarets Hand.
»Mummy, was haben die Leute? Sind sie krank? Haben sie sich am Ofen verbrannt?«
»Diese Männer und Frauen kommen aus Afrika, dort ist es so heiß, dass die Sonne ihre Haut dunkel gemacht hat.« Die Antwort ihrer Mutter befriedigte Anne nicht.
»Wieso macht die Sonne die Haut dunkel, wenn sie unsere Leintücher bleicht?«
»Es sind Sklaven, Neger aus Afrika. Sie sind hier, um für die weißen Leute zu arbeiten, Prinzessin«, erklärte Cormac, »und wenn wir erst einmal ein Haus gefunden haben und ich wieder ein Büro habe, werden wir auch einen oder zwei Neger kaufen, damit Mummy nicht so viel arbeiten muss.« Er lächelte stolz.
»Menschen, die man kaufen kann?« Anne zog die Stirn kraus. »In Kinsale konnte man keine Menschen kaufen, nur Essen und Kleider.«
»Hier ist das anders, Prinzessin, hier kann man Männer und Frauen kaufen, die all die Arbeit machen, die man selbst nicht erledigen möchte.« William tätschelte die Wange seiner Tochter. Margaret sah ihn unwillig an.
»Unser neues Haus muss nicht so groß sein, dass wir diese Hilfe brauchen. Ich arbeite gern. Und mit dem Geld, das wir dann sparen, können wir dir Französisch- und Klavierunterricht bezahlen oder vielleicht sogar ein Pony kaufen.«
»Ein eigenes Pony? Nur für mich? Daddy, ich helfe Mummy beim Abtrocknen, dann brauchen wir keinen Neger. Ich möchte lieber ein Pony.« Anne war begeistert von der Idee ihrer Mutter.
Der Kutscher brachte den Wagen zum Stehen.
»Hier wohnen die Iren.« Er deutete mit dem Finger auf eine Siedlung gepflegter Häuser und Gärten. Cormac sah sich um.
»Man hat mir gesagt, dass es hier auch einen Pub gibt, wo man etwas zu essen und zu trinken bekommt.« Der Kutscher nickte.
»Ein Stück dort die Gasse hinunter, auf der linken Seite. Sie können es gar nicht verfehlen, aber ich komme mit meinem Gespann da nicht hinein. Das müssen Sie schon zu Fuß erledigen.«
Während Anne die süßeste Zitronenlimonade ihres Lebens trank, genossen ihre Eltern ein frisches Bier. Der erste Krug war noch nicht geleert, da saß bereits eine Handvoll ausgewanderter Iren um sie herum, fragten die Neuankömmlinge nach dem Woher und Warum und standen ihrerseits Rede und Antwort.
»Zurzeit stehen drei Häuser bei uns leer, die sind zu vermieten. Eins ist wahrscheinlich ein bisschen zu klein für euch, aber die beiden anderen müssten passen. Ich kann sie euch gleich zeigen«, bot ein graubärtiger Dubliner an, der sich als Ian vorgestellt hatte und der Wortführer der kleinen Gemeinschaft war. William stand auf.
»Warte du hier mit Anne, esst etwas. Ich gehe mit Ian, und wenn ich zurückkomme, haben wir hoffentlich eine Bleibe.«
»Und ein Pony?« Anne sah ihren Vater fragend an.
Zwei Stunden später stand Cormac strahlend vor Margaret.
»Meine Damen«, er verneigte sich. »Ich trinke jetzt noch ein Bier, und dann zeige ich euch euer neues Zuhause. Wir können sofort einziehen. Sogar die Betten sind schon bezogen; und du Prinzessen«, Cormac machte einen übertrieben tiefen Bückling, »du hast ein eigenes Zimmer mit einem großen Fenster und sogar einen Garten, in dem du spielen kannst.«
»Und ein Pony!«
Ihr Vater antwortete nicht.
Margaret ging durch die Zimmer und konnte ihr Glück kaum fassen.
»Ein eigener Brunnen vor dem Haus. So viel Platz und so hell, und der Garten!« William schloss sie in die Arme.
»Die Siedlung ist bewacht, du brauchst also keine Angst zu haben, wenn ich einmal nicht da sein sollte. Das Haus ist gut ausgestattet,
und wenn doch etwas
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