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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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zu und bot ihr einen Stuhl an. Das Mädchen tat vor Schreck zwei Schritte rückwärts.
    »Aber, Madam, ich kann doch nicht im selben Zimmer wie Sie auf einem Stuhl sitzen.«
    »Schließ die Tür hinter dir, komm hierher und tu, was ich dir sage. Du wirst sehen, wie einfach es ist.« Margaret ließ sich nicht beirren.
    »Bevor ich dir sage, was ich von dir erwarte, möchte ich wissen, wer du bist. Wo kommst du her, wo hast du unsere Sprache gelernt?« Phibbah setzte sich gehorsam auf die äußerste Kante des Stuhls und strich verlegen ihren Rock glatt.
    »Meine Mutter hieß Fabanna, sie war die Nichte des Königs von Ashanti und eine sehr schöne Frau.«
    »Deine Mutter war die Nichte eines Königs?« Margaret neigte ungläubig den Kopf zur Seite.
    »Ja, Madam, man hat sie gefangen, als sie mit ihren drei Söhnen einen Spaziergang machte. Es waren Männer vom Nachbarstamm. Sie hatten sich mit den Sklavenhändlern verbündet. Sie schlugen meine Mutter bewusstlos und steckten sie in einen Sack. Dann brachten sie
meine Mutter und meine Brüder auf ein großes Schiff und legten sie in Ketten. Ich war nicht dabei, ich bin erst später geboren, aber meine Mutter hat erzählt, dass zwei meiner Brüder noch auf dem Schiff gestorben sind. Nur der Jüngste hat überlebt. Das Schiff ging in Port Royal vor Anker. Meine Mutter wurde von einem Arzt gekauft. Der Doktor war ein guter Mensch, er kaufte auch meinen kleinen Bruder. Meine Mutter führte dem Doktor den Haushalt und half ihm sogar bei schwierigen Behandlungen. Er nannte sie seine Ebenholzkönigin. Sie war groß, stark und hatte fast schwarze Haut, viel dunkler als meine.« Phibbah betrachtete prüfend ihre bloßen Unterarme.
    »Dann kam ich auf die Welt, ich weiß nicht genau, wann.« Sie machte eine Pause. Ihre großen Augen sahen ins Leere.
    »Wir hatten es gut beim Doktor. Manchmal durfte ich sogar auf seinem Schoß sitzen. Er roch immer nach Zigarren und Rum. Der Doktor trank viel Rum. Leider.« Sie seufzte wieder.
    »Aber wenn der Doktor dich so gerne mochte, wie konnte er dich dann verkaufen?«, fragte Margaret leise.
    »Er hat mich nicht verkauft, er hat mich verloren«, antwortete das Mädchen ebenso leise.
    »Die schlimme Zeit begann mit dem großen Erdbeben. Das war am 7. Juni 1692, dreizehn Jahre ist es her. Aber ich werde mein Leben lang keine Sekunde dieses Tages vergessen. Der Doktor und ich waren nicht zu Hause, als es geschah. Er hatte mich mitgenommen auf die andere Seite der Stadt; dort war ein kleiner Hügel, auf dem er immer seine Heilkräuter sammelte. Er hatte seinen Karren mit den beiden Pferden unten am Hügel stehen lassen, und wir hörten zuerst, wie die Tiere brüllten. Von oben konnten wir sehen, wie sie an ihren Geschirren zerrten. Plötzlich verschwand die Sonne. Die Luft wurde ganz grau, nicht richtig dunkel, der Himmel hatte eine Farbe, wie ich sie nie zuvor gesehen habe. Dann kam der Wind. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Der Doktor nahm mich an der Hand und riss mich mit sich, weiter den Hügel hinauf.« Phibbah zitterte und drückte sich gegen die Stuhllehne.
    »Wir hörten ein Rumpeln. Es war, als ob die Erde böse wäre und grollte. Lauter und lauter, und auf einmal wackelte der Boden. Wir kauerten uns nieder, und der Doktor fing an zu beten. Von oben
konnten wir sehen, wie das Meer tobte. Die Schiffe im Hafen wurden von den Wellen wie Spielzeug hin und her geworfen. Die Stadt ächzte und stöhnte, als hätte sie große Schmerzen, bis der erste Stoß kam und ein Teil der Häuser einfach in sich zusammenfiel. Die Wellen wurden immer höher und erreichten das Ufer. Sie überspülten die Stege, die Tavernen und zogen die Menschen mit sich. Wenn ich die Augen schließe, kann ich ihre Schreie noch immer hören.«
    Margaret stand auf und reichte Phibbah ein Glas Zitronenlimonade. Doch das Mädchen sprach weiter, ohne das Getränk anzurühren.
    »Der Wind wurde immer stärker, und immer mehr Menschen wurden ins Meer gerissen. Auf einmal bebte die Erde noch heftiger als zuvor. Je stärker das Beben wurde, umso mehr Häuser krachten zusammen. Der Wind entwurzelte Bäume, große Palmen flogen wie Blümchen durch die Luft. Überall war Sand. Der Sturm blies ihn in meine Augen, Ohren und Nasenlöcher. Und dann öffnete sich die Erde.« Phibbah breitete die Arme weit aus.
    »Ein riesiger Spalt öffnete sich und verschluckte alles, was da vorher gewesen war. Fuhrwerke, Tiere, Menschen, Häuser, Bäume verschwanden in diesem Riss, der sich

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