Koenigin der Meere - Roman
hoffnungsvoller Funke.
»Bonny, wenn dir das gelingt, bist du der größte Kapitän aller Zeiten.« Anne hob ihre gefesselten Hände und rasselte mit den Ketten.
»Abwarten, noch sind wir nur einen kleinen Schritt weiter.«
James Brady verbrachte eine schlaflose Nacht. Der Gedanke, sich mithilfe der Piraten an Jonathan Barnett zu rächen, ließ ihm keine Ruhe. Wenn die Sache allerdings schiefging und herauskam, dass er
den Gefangenen geholfen hatte, war sein Leben nichts mehr wert. Er würde mit ihnen am Galgen baumeln, wenn Barnett ihn nicht schon vorher mit seiner neunschwänzigen Katze zu Tode prügelte und den Fischen zum Fraß vorwarf.
In den frühen Morgenstunden stand sein Entschluss fest. Er würde sich anhören, was dieser rothaarige Kerl ihm zu sagen hatte, und dann entscheiden, was er tat. Früher als sonst stand er mit Cassavabrot und Wasser vor den Gefangenen.
»Also, dann lass mal hören, was du dir ausgedacht hast.« Brady sah Anne erwartungsvoll an.
»Dazu muss ich erst mal wissen, was dieser Teufel von einem Kapitän mit uns vorhat. Was weißt du von seinen Plänen?« Brady blähte stolz die Brust.
»Ich weiß alles, ich bin Offizier.«
»Ihr werdet nach Kingston gebracht und von dort nach Spanish Town. Da kommt ihr ins Gefängnis, bis sie euch den Prozess machen. Und dann werdet ihr wohl hängen.« Anne ließ sich ihren Schrecken nicht anmerken. Sie hatte gehofft, dass die Harbinger nach Nassau unterwegs war und sie auf diese Weise mehr Zeit zur Verfügung hatten.
Der Zielort Kingston veränderte die Situation zu ihren Ungunsten. Erstens blieben nur wenige Tage, und zweitens umsegelten sie die Insel und befanden sich ständig in der Nähe der jamaikanischen Küste.
»Wo sind wir jetzt?« Ihre Stimme klang schärfer als geplant.
»Nun mal langsam. Du hast mir eine Belohnung versprochen. Bevor ich dir weitere Informationen gebe, wüsste ich gerne, woher du die nehmen willst. Mach dir bloß keine Hoffnungen, dass du noch irgendwas aus dem Wrack eures Schiffs holen kannst. Wir haben jede Planke dreimal umgedreht. Da findest du nichts mehr, um mich zu bezahlen.« Dobbins, der wie die anderen bis dahin schweigend zugehört hatte, unterdrückte einen Seufzer. Der Gedanke, alles verloren zu haben, schmerzte ihn mehr als seine Wunde.
»Mach dir über deine Belohnung keine Sorgen. Dir bleibt nichts anderes übrig, als mir zu vertrauen. Aber wenn es dich beruhigt, gebe ich dir mein Wort darauf, dass du es nicht bereuen wirst. Ich kann dich bezahlen, egal, was du verlangst.«
»Was ich verlange«, Brady sah sie nachdenklich an. Das Spiel begann ihm zu gefallen.
»Ich verlange so viel, dass ich dieses elende Leben im Dienst der Marine hinter mir lassen und mir in England ein Häuschen zulegen kann. Das verlange ich.« Anne verzog keine Miene.
»Wenn das dein Preis ist, werde ich ihn zahlen. Und jetzt sag mir, wo wir uns befinden, damit ich weiß, wie viel Zeit uns bleibt.«
»In diesem Augenblick sind wir zwischen Treasure Beach und Alligator Point. Wenn der Wind sich nicht ändert, haben wir noch ein paar Tage bis Kingston«, beantwortete Brady ihre Frage wahrheitsgemäß.
Bevor Anne fortfahren konnte, erklang durch die Luke Glenn Morrys Stimme.
»Mr. Brady, zum Teufel, wo bleiben Sie denn? Wir brauchen Sie an Deck!« Dem Ersten Maat war aufgefallen, dass Brady sich ungewöhnlich lange bei den Gefangenen aufhielt. Der Offizier beeilte sich, nach oben zu kommen. Morry musterte ihn eindringlich.
»Ist irgendetwas nicht in Ordnung?« Brady verneinte.
»Alles so, wie es sein soll, Sir. Ich habe mir nur die beiden Verletzten angesehen. Der Kapitän wird nicht wollen, dass sie uns hier an Bord unter den Fingern wegsterben, bevor er sie an den Galgen bringen kann.« Seine Antwort beunruhigte Morry.
Als Brady am frühen Nachmittag wieder hinabstieg, um den Gefangenen den Eintopf zu bringen, folgte Morry auf leisen Sohlen und lauschte.
»Wer hat die Schlüssel zu unseren Ketten?« Anne ließ keine Zeit verstreichen.
»Die hat der Erste Maat, Mr. Morry.«
»Wenn es so weit ist, musst du sie stehlen. Kriegst du das hin?« Brady nickte.
»Und wenn ich ihm vorher den Schädel einschlage, irgendwie werde ich sie ihm schon abnehmen.«
»Gut. Wie viel seid ihr an Bord?« Brady dachte nach.
»Wir waren fünfundvierzig Mann, elf sind gefallen, sechs verletzt.«
»Bleiben achtundzwanzig. Wir sind zwölf. Mit dir dreizehn. Das
ist knapp die Hälfte und damit kein Problem. Wir brauchen Waffen. Habt ihr
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