Koenigin der Meere - Roman
und einem tödlichen Röcheln auf den Planken lagen. In den Gestank von Schweiß und Pulver mischte sich metallener Blutgeruch. Anne rammte einem Soldaten ihren Schädel in den Magen. Der Mann ging zu Boden und erlag ihrem Streich mit dem Säbel.
Ein Soldat wollte sie eben von hinten angreifen, da schwang sich Mary an einem Tau aus der Takelage und trat ihm mit den Stiefeln so fest ins Gesicht, dass er das Bewusstsein verlor. Anne tötete ihn unbarmherzig mit ihrem Entermesser.
Im Zwischendeck hatte Barnett leichtes Spiel mit Rackham und seinen Getreuen. Ohne Widerstand zu leisten, gaben sie ihre Waffen ab und ließen sich die Hände binden.
»Sie sind Gefangener der britischen Krone, Mr. Rackham. Es liegt an Ihnen, sich das Leben schwer oder leicht zu machen. Nennen Sie mir die Namen Ihrer wichtigsten Helfer, und ich werde beim Gouverneur ein gutes Wort für Sie einlegen.« Jonathan Barnett sah sein
Gegenüber erwartungsvoll an. Calico zögerte keine Sekunde. Ohne mit der Wimper zu zucken, gab er seine Gefährten der ersten Stunde preis. Glenn Morry notierte: »Fenwick, Dobbins, Carry, Corner, Davies, Howell, Brown, Harwood, Earl, Read.« Barnett runzelte die Stirn.
»Da fehlt ein Name, was ist mit diesem Bonny?« Rackham schluckte trocken. Er hatte Anne schützen wollen, doch offensichtlich war ihr Ruf bis zur britischen Marine gedrungen. Er räusperte sich.
»Natürlich, Sir, fast hätte ich’s vergessen. Bonny gehört selbstverständlich auch auf die Liste.«
Die Planken der Dragon waren rot vom Blut der Toten und Verletzten. Anne und Mary standen nebeneinander in der Takelage und bereiteten sich auf die nächste Attacke vor, da sah Anne, wie Rackham und die Männer, die mit ihm unter Deck geblieben waren, einer nach dem anderen mit gefesselten Händen die Treppe heraufkamen.
»Read. Es ist vorbei. Wir müssen uns ergeben. Sie sind in der Überzahl.« Mary nickte traurig.
»Aber immerhin haben wir ein paar von ihnen in die Hölle geschickt.«
Zwei Soldaten hielten die Läufe ihrer Musketen in die Takelage, als Mary und Anne langsam herunterkletterten, um sich in Ketten legen zu lassen.
Die Piraten wurden auf die Harbinger in einen kleinen Raum neben der Bilge gebracht und an Händen und Füßen mit eisernen Ketten gefesselt. Mürrisch saßen sie in halb aufrechter Position nebeneinander und verfluchten ihr Schicksal. Dobbins stöhnte vor Schmerzen. Er blutete aus einer klaffenden Wunde am Kopf und konnte seinen rechten Arm nicht bewegen. Howell zog die Nase hoch. Ein Fausthieb hatte ihn mitten auf das linke Auge getroffen, die Augenbraue war geplatzt, Blut rann über sein Gesicht.
»Sie halten ihre Sklaven besser als uns«, schimpfte Anne und suchte vergeblich nach einer bequemeren Position. Calico lehnte mit geschlossenen Augen an den Spanten. Niemand würdigte ihn eines Blickes. Er hatte sie verraten, und sie wussten es. Dobbins spie wütend aus, schluckte seinen Zorn jedoch hinunter. Alle miteinander waren
sie auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen ihres Bezwingers ausgeliefert.
Jonathan Barnett hielt sein Versprechen. Nachdem die Gefangenen unschädlich gemacht worden waren, erlaubte er seinen Männern, die Dragon zu plündern. Die Marinesoldaten durchwühlten die Seesäcke der Freibeuter und jubelten über jedes Achterstück, das sie zutage förderten. Sie nahmen die Waffen an sich und gerieten völlig aus dem Häuschen, als sie die Edelsteine und Perlen fanden, die die Piraten nicht verkauft hatten.
Die Dragon war schwer beschädigt. Durch die Lecks, die die Kanonenkugeln geschlagen hatten, drang das Wasser allmählich in den Rumpf. Das Schiff hatte bereits Schlagseite und würde binnen der nächsten Stunden sinken.
Barnett ordnete an, dass seine gefallenen Soldaten auf die Harbinger gebracht wurden.
»Wenn wir auf offener See sind, sollen sie ein ordentliches Begräbnis bekommen. Mr. Morry, sorgen Sie dafür, dass wir genügend Segel haben, um unsere Toten einzunähen, bevor wir sie mit Gottes Segen dem Meer übergeben.« Verdammt, mit ihr unterzugehen, blieben die getöteten Piraten auf der Dragon liegen.
Die Tür öffnete sich, und das schwache Licht einer Laterne fiel in den Verschlag, in dem die Gefangenen ihres Schicksals harrten. Barnett hatte James Brady abkommandiert, sich um die Piraten zu kümmern. Anne erschrak, als sie sein Gesicht sah. Die scharfen Muscheln hatten seine Wangen zerschnitten, es war über und über mit wulstigen, roten Narben bedeckt, ein Teil der Oberlippe
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