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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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rann ihm von Schläfen und Nacken in den Kragen, als die Wachleute Anne unter den Achseln und an den Füßen packten. Ihre eisernen
Fesseln rasselten leise. Die Männer brachten Anne in den Gang und ließen sie unsanft auf den Boden fallen. Hamiltons Herz schlug bis zum Hals. Inständig hoffte er, dass die beiden Soldaten im schwachen Schein der Laterne nicht sahen, dass Annes Gesicht vor Schmerz leicht zuckte. Die Wachleute verschlossen die Tür und hoben Anne vom Boden auf. Ihre Arme hingen rechts und links schlaff vom Körper herunter. Auf den schmalen Stufen der Treppe schrammten die Hände mehrmals gegen die rohe Mauer. Hamilton sah die Kratzer auf der Haut. Anne verzog keine Miene.
    Auf dem Hof hatten sich ein paar neugierige Männer der Garnison versammelt, die einen Blick auf die Tote werfen wollten. Vor Aufregung war sein Mund so trocken, dass Hamiltons Zunge an seinem Gaumen klebte. Um die Aufmerksamkeit von Anne abzulenken, gestikulierte er ein wenig übertrieben mit den Händen und zeigte auf den Karren.
    »Legt sie auf den Wagen, alles Weitere regle ich.«
    Die beiden Wachleute warfen Anne mit so viel Schwung auf das Gefährt, dass ihr Kopf krachend auf die Bretter schlug. Anne stöhnte laut auf. Die Wächter sprangen entsetzt zurück.
    »Zum Teufel, die lebt ja noch!«, rief der eine und machte einen Schritt auf den Wagen zu. Hamilton vertrat ihm den Weg und warf die mitgebrachte grob gewebte Decke über Anne, sodass nur noch ihre Füße herausschauten.
    »Nein, guter Mann, die ist mausetot, aber in ihrem Körper sind noch Gase, die entweichen, wenn man sie wie einen Sack hin- und herschmeißt. So, und jetzt mach Er die Ketten ab, die brauchen wir nicht mehr. Tote können bekanntlich nicht abhauen.« Der Wächter beäugte skeptisch Annes schmutzige Füße, wagte aber nicht, sich der Autorität des Arztes zu widersetzen. Mit spitzen Fingern nestelte er so ungeschickt an den Fesseln herum, dass Anne unter der Decke die Zähne in ihr Backenfleisch grub, um nicht laut lachen zu müssen.
    Hamilton kletterte neben Jubilo auf den Bock, berührte mit Blick auf die Soldaten die Krempe seines Dreispitzes und gab das Zeichen zum Aufbruch.
    »Wende den Wagen und fahr nicht zu schnell aus dem Tor. Wir
haben es fast geschafft.« Jubilo nahm zitternd die Peitsche und gehorchte. Ohne sich umzudrehen, verließen die beiden den Gefängnishof. Das Pferd trabte gehorsam voran, und erst als das Gefängnis außer Sichtweite war, schnalzte Jubilo mit der Zunge und beschleunigte die Fahrt.
    Hamilton drehte sich um. Anne lag reglos unter der Decke. Einen Augenblick fürchtete der Arzt, dass sie bei dem Aufprall eine Verletzung erlitten haben könnte, doch so lange sie die Stadtgrenze von Spanish Town nicht verlassen hatten, war es zu gefährlich anzuhalten und nach ihr zu sehen. Endlich erreichten sie die staubige Landstraße, die zum Hafen führte. Jubilo bog in einen kleinen Weg und brachte den Wagen zum Stehen. Schneller als Hamilton sprang er vom Bock und lief nach hinten.
    »Anne! Anne! Sag doch etwas! Wie geht es dir?« Er kletterte auf die Pritsche und zog die Decke vom Gesicht seiner Halbschwester. Anne setzte sich auf und schloss ihn in die Arme. Reglos verharrten sie in inniger Umarmung.
    »Kinder! Wir sind noch nicht in Sicherheit. Wenn die Wachleute Mary entdecken, wird Lawes sofort die Verfolgung aufnehmen. Hier!« Hamilton warf Anne ein verschnürtes Bündel zu. »Das sind frische Kleider. Mit dem Waschen wirst du noch ein wenig warten müssen, bis wir auf dem Schiff sind. Schlüpf wieder unter die Decke und zieh dich um. Dann pack die schmutzigen Sachen in das Bündel. Wir werfen sie später ins Meer, damit wir keine Spuren hinterlassen. Und du, Jubilo, mach, dass du wieder auf deinen Platz kommst. Wir müssen weiter, und zwar schnell.« Im Schutz der Decke tauschte Anne die von Marys Blut und Fruchtwasser verklebte Hose und das vor Schmutz starrende Hemd gegen den weiten Rock und die bunte Bluse, die Hamilton mit Kathys Hilfe für sie besorgt hatte.
    Jubilo saß wieder auf dem Kutschbock. Tränen liefen über sein Gesicht. Hamilton klopfte ermunternd auf den Oberschenkel des Jungen.
    »Sie sieht furchtbar aus. Wenn ich nicht wüsste, dass sie es ist, ich hätte sie nicht erkannt. So dreckig und so dünn. Wie die mageren Katzen, die um das Haus des Gouverneurs streunen.« Jubilo zog die Nase hoch.

    »Sie hat eine harte Zeit hinter sich und braucht viel Ruhe. Aber sie ist jung und zäh und wird sich erholen«,

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