Koenigin der Meere - Roman
versicherte der Arzt so glaubwürdig, dass Jubilo sich beruhigte.
Es war früher Nachmittag, als sie in die Nähe des Hafens kamen. Hamilton hatte beschlossen, Pferd und Wagen an einem Platz abzustellen, wo jemand das Tier entdeckte und sich seiner annahm. Er wollte das letzte Stück des Weges mit Anne und Jubilo zu Fuß zurücklegen. Doch schon nach einer viertel Stunde musste er feststellen, dass dies keine gute Idee war.
Durch die Strapazen der Haft war Anne so geschwächt, dass sie immer wieder innehalten und sich ausruhen musste. Hamilton und Jubilo stützten sie abwechselnd und waren erleichtert, als endlich die Landestege in Sicht kamen.
Wie verabredet hatte Jeremias Hobbes ein Beiboot geschickt. Die drei ließen sich zum Schiff rudern. Anne saß mit geschlossenen Augen im Boot und sog die salzige Meeresluft so tief ein, dass ihre Nasenflügel sich bei jedem Atemzug blähten.
»So riecht Freiheit«, flüsterte sie. Der Anblick des Schiffsrumpfes beunruhigte sie. Wie oft hatte sie die Sprossen der Strickleiter in Windeseile erklommen. Jetzt war sie so schwach, dass sie fürchtete herabzustürzen. Jubilo kletterte voran. Mit einer Hand zog er Anne hinter sich her, während Hamilton sie von hinten schob. Mit zusammengebissenen Zähnen, zitternd vor Anstrengung schaffte Anne schließlich die letzte Sprosse, ließ sich dankbar von Jubilo an Bord ziehen und sank auf die Planken.
Mike im Arm, stand Kisu an Deck, um sie zu begrüßen. Bei Annes Anblick erstarb das Lächeln auf ihrem Gesicht. Langsam ging sie auf sie zu und kniete neben ihr nieder.
»Bonny! Ich bin es, Kisu! Erkennst du mich nicht? Und sieh nur, wen ich hier habe.« Sie hielt Anne den Säugling entgegen.
»Meine kleine Kisu, du bist eine erwachsene Frau geworden. Und wie hübsch du bist.« Anne gab ihr einen Kuss auf die Wange. Hamilton wollte ihr aufhelfen, doch Annes Beine versagten den Dienst.
»Für all das ist später noch genug Zeit. Jetzt bringen wir dich erst
einmal in ein Bett, und da schläfst du so lange, bis der Hunger dich weckt.«
Etwas abseits stand eine Frau und betrachtete Anne mit mitleidigem Blick. Hamilton winkte sie heran. Anne hörte das Rascheln eines Seidenkleides und sah als Erstes den spitzenbesetzten Saum eines gewaltigen roten Rockes auf sich zukommen. Sie hob den Kopf.
»Kathy, bist du das? Das kann doch gar nicht sein.« Kathleen Briggs strahlte.
»Da guckst du, was? Dein Doc war so freundlich, uns zu erlauben, euch zu begleiten. Er meinte, ich kann mich während der Reise um dich kümmern, und es gibt fast nichts, was ich lieber täte.«
»Und das hier«, ihr Busen hob sich stolz, »das hier ist mein Billy.« Aus dem Schatten seiner glücklichen Mutter trat ein sehniger Knabe und machte einen artigen Diener. Hamilton hatte tief in die Geldbörse greifen müssen, um den Jungen freizukaufen. Erst nach zähen Verhandlungen war es ihm gelungen, sich mit dem Plantagenbesitzer zu einigen. Schon auf dem Weg zur Plantage hatte er mit Kathy verabredet, dass sie mit an Bord kommen und sich um Anne kümmern würde. Kathleen Briggs hatte sich nur zu gern bereit erklärt.
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D ie Advice verließ den Hafen. Die Sonne schien, eine frische Brise blähte die Segel. Kapitän Hobbes ließ sich in seiner Kajüte bei einem vollmundigen Rotwein von Hamilton erzählen, was sich in Spanish Town ereignet hatte. An Deck saßen Jubilo und Kisu eng nebeneinander und betrachteten den kleinen Mike, der satt und zufrieden in einem Körbchen lag und schlief. Billy stromerte über das Deck, bestaunte die hohen Masten, die Schiffsglocke und die Segel und nahm sich fest vor, eines Tages Matrose zu werden.
Von all dem merkte Anne nichts. Kathy hatte sie in eine Kabine gebracht und wollte ihr helfen, sich auf das Bett zu legen. Doch so müde und erschöpft Anne auch war, sosehr sie jeden Muskel und Knochen in ihrem Leib spürte und sich nach Schlaf sehnte, bestand sie darauf, sich vorher zu waschen.
»Ich kann nur ruhig schlafen, wenn ich den Dreck der vergangenen Monate nicht mehr auf meiner Haut fühle. Es wäre eine Schande, diese herrlichen weißen Laken zu besudeln.« Aus der Kombüse brachte Kathy zwei große Eimer, randvoll mit heißem Wasser gefüllt. Sie entkleidete Anne und schrubbte sie mit Wurzelbürste und Schwamm von oben bis unten ab. Dabei murmelte sie vor sich hin: »Was haben diese Lumpen mit dir gemacht. Sieh dich nur an, dünn wie ein Vögelchen. Jeder Knochen steht hervor. Wenn du nicht guter Hoffnung wärst, kein
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