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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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Weib am Ende doch noch zu etwas nutze sein wird. Nach ihr kräht kein Hahn mehr. Wie vielen unschuldigen Frauen können Sie ein ähnliches Schicksal
ersparen, wenn Sie den Leib dieser Person öffnen.« Die Schwester des Gouverneurs sprach mit solcher Inbrunst, dass beide Männer sie verwirrt anschauten.
    »Guck nicht so, Nicholas! Fortschritt fordert Opfer, und hier handelt es sich um eines, das du wirklich mit Leichtigkeit bringen kannst.« Der Gouverneur schüttelte angewidert den Kopf.
    »Bei allem Respekt, Mr. Hamilton, aber das geht mir einen Schritt zu weit. Sie waren es doch, der mir vor Wochen ins Gewissen geredet hat, mich nicht gegen Gott zu versündigen. Und jetzt kommen ausgerechnet Sie mit einer solchen Idee zu mir.«
    »Sir, hören Sie auf die klugen Worte Ihrer Schwester, und glauben Sie mir, dass ich es nicht gerne tue. Aber wir Mediziner sind nun einmal darauf angewiesen, gewisse Dinge mit eigenen Augen zu sehen, um in der Zukunft besser heilen und helfen zu können. Madam hat recht. Wenn ich die Ursache für Mary Reads Tod finde, kann ich vielen Frauen ein ähnliches Schicksal ersparen. Sie werden nichts damit zu tun haben, ich brauche lediglich Ihre schriftliche Genehmigung, die Tote morgen in aller Frühe abholen zu dürfen. Ich werde sie an einen Ort bringen, der außerhalb von Spanish Town liegt, niemand wird etwas bemerken. Und Sie könnten Ihren Plan in die Tat umsetzen und das Ende dieser Anne Bonny nach Ihrem Dafürhalten beschleunigen.« Hamilton griff nach seiner Teetasse und leerte sie in einem Zug.
    »Nicholas, er hat völlig recht. Soll diese widerliche Anne Bonny ruhig die ganze Nacht neben ihrer toten Freundin liegen. Du kannst dir derweil überlegen, was du mit ihr anstellst. Mr. Hamilton wird dir sicher keine Steine in den Weg legen.« Lucinda Lawes sah ihren Bruder mit funkelnden Augen an. Der stand auf und ging zum Fenster. Hamilton kam es vor, als starrte der Gouverneur eine Ewigkeit in die Ferne, bis er sich endlich mit einem Ruck umdrehte.
    »Sei’s drum. Sie kriegen Ihre Genehmigung. Machen Sie, was Sie wollen, Doktor, aber halten Sie mich und meinen Namen aus der Sache raus. Ich muss sie allerdings warnen! Wenn etwas ans Tageslicht kommt, werde ich alles abstreiten und tun, als wüsste ich von nichts. Und was das für Sie bedeutet, brauche ich Ihnen nicht näher zu erläutern.« Abrupt verließ er den Raum und ging in sein Arbeitszimmer,
um das von Hamilton gewünschte Schriftstück mit seinem Siegel zu versehen.
    »Madam«, der Arzt erhob sich und küsste Lucinda Lawes Hand, »ich bin Ihnen zu außerordentlichem Dank für Ihre Unterstützung verpflichtet. Sie haben der Wissenschaft einen großen Dienst erwiesen. So sehr ich es bedauere, den Abend nicht in Ihrer liebenswürdigen Gesellschaft verbringen zu können, werden Sie sicher Verständnis dafür haben, dass ich noch einige diskrete Vorkehrungen zu treffen habe.«
    »Verfahren Sie nach Ihrem Belieben, mein lieber Doktor, und seien Sie versichert, dass ich Ihren Bericht mit Spannung erwarte.«
    Der Siegellack war kaum getrocknet, da verstaute Hamilton das vom Gouverneur unterzeichnete Dokument in seiner Tasche. In aller Eile packte Jubilo das Notwendigste zusammen und schaffte den Seesack unbemerkt aus dem Haus. Der Kutscher spannte die Pferde an und nickte erfreut, als Hamilton ihm mitteilte, dass er den Wagen selbst lenken würde. Auf dem Weg in die Stadt weihte der Arzt Jubilo in seinen Plan ein.
    »Du kümmerst dich um einen Wagen. Auf die Leichenbestatter verzichten wir. Ich werde zwei Wachleute bestechen, dass sie Bonny aus dem Kerker tragen.« Jubilo wunderte sich.
    »Warum machen wir das nicht selbst?«
    »Weil das zu auffällig wäre. Als Arzt kann ich unmöglich eine tote Gefangene aus dem Kerker schaffen. Das würde sofort Verdacht erregen. Wenn du den Wagen hast, gehst du zu Kisu und sagst ihr, sie soll sich und das Kind bereithalten. Du wirst bei ihr bleiben, bis ich komme. Ich fahre inzwischen mit Kathy auf die Plantage und versuche, ihren Sohn freizukaufen. Ich möchte, dass sie mit uns kommt. Es kann nichts schaden, wenn wir eine erfahrene Frau an Bord haben. Und hier in Spanish Town hält sie nichts mehr, wenn sie ihren Billy erst wieder bei sich hat.« Jubilo strahlte. Endlich würde er Kisu wiedersehen.
     
    Anne hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Mit Mary die Kleidung zu tauschen und die Freundin in der Zelle liegen zu lassen, schien ihr ein so ungeheuerlicher Frevel, dass sie sich nur schwer

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