Koenigin der Meere - Roman
zu erreichen. Die Aufseher erwarteten ihren neuen Herren bereits. McMullen hatte sie angewiesen, ihm in allem zu Diensten zu sein, und daran hielten sie sich. Willig zeigten sie ihm die weiten Felder, auf denen weit über hundert Sklaven in Reih und Glied arbeiteten. Im Gleichtakt jäteten sie das Unkraut zwischen den zarten Reispflanzen. Wie eine lange Ameisenstraße, dachte Cormac.
Unweit der Pflanzung befanden sich die Hütten der Sklaven und ihrer Familien. McMullen hatte sie so nah wie möglich am Anbaugebiet errichten lassen, damit wenig Zeit für den Anmarsch verloren
ging. Eine Behausung glich der anderen. Sie waren alle aus Lehm und Stroh, sehr klein, machten aber einen sauberen Eindruck.
Die Dächer waren mit Schilf und Palmblättern gedeckt, der Eingang befand sich vorne unter dem Giebel, und die Dachsparren reichten meist bis auf den Boden hinab. So entstand an den Seiten ein Unterstand; dort fanden ein paar Hühner und manchmal sogar ein Schwein Zuflucht, wenn es regnete. Jedes Häuschen war umgeben von einem kleinen Stück Land, das die Sklaven in ihrer Freizeit selbst bewirtschafteten.
Überall standen Aufseher, die mit Argusaugen darauf achteten, dass niemand fliehen konnte. Bis auf vier Weiße waren die meisten Aufseher Schwarze, die im Laufe der Jahre McMullens Vertrauen erworben und dadurch eine Sonderstellung erobert hatten. Bei seinen drei vorherigen Besuchen waren sie Cormac bereits vorgestellt worden.
»Sie müssen ein besonderes Auge auf die Weißen haben«, hatte McMullen ihm eingeschärft.
»Die Neger machen ihre Arbeit gut. Sie passen auf wie die Luchse, dass keiner abhaut, aber sie quälen die Leute nicht unnötig. Schließlich kann ein ausgepeitschter Sklave ein paar Tage nicht arbeiten, und ihr Erfolg hängt davon ab, dass die Kerle anständig pflanzen und ernten. Bei den Weißen ist das anders. Alles Gesindel, ehemalige Sträflinge, die sich mit Fronverträgen ihre Freiheit erkauft haben. Sie sind aggressiv und schlagen beim kleinsten Anlass zu. Neulich habe ich einen rausschmeißen müssen, weil er einer hochschwangeren Schwarzen so fest in den Bauch getreten hat, dass sie ihr Kind verlor. So was ahnde ich scharf. Wenn die Kühe schon trächtig sind, sollen sie wenigstens gesunde Kälber auf die Welt bringen. Zucht ist allemal billiger als Neukauf. Ein paar von den Weibern sind sogar ganz ahnsehnlich, da habe ich auch schon mal bei der Zucht ein wenig nachgeholfen.« Bei diesen Worten hatte McMullen Cormac verschwörerisch zugezwinkert und gelacht.
Drei Rundgänge durch das große Haus hatte Margaret gebraucht, bis sie wusste, wie sie die Räume aufteilen würde. Der große Salon, das Speisezimmer, Williams und ihr Schlafgemach befanden sich ebenso wie ein kleiner Salon, den sie für sich reservierte, und je zwei Zimmer für Anne und Miss Enders im Haupthaus. Phibbah und die Köchin
sollten im Seitenflügel schlafen. Kabelo bezog eine winzige Hütte direkt am Haus.
»So hört er, falls sich nachts irgendwelches Pack oder Tiere herumtreiben, die wir hier nicht haben wollen, und ist trotzdem in Ruf weite, wenn wir ihn brauchen«, hatte Cormac verfügt.
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F ür Anne war die Plantage ein wahres Paradies. Miss Enders hatte ihre liebe Not, das Mädchen zu zügeln. So wissbegierig sie dem Unterricht folgte, so unwillig zeigte sie sich, wenn die Gouvernante ihr Kohlestifte oder einen Stickrahmen in die Hand drückte. Am glücklichsten war sie, wenn sie mit oder noch lieber ohne Kabelo auf dem weitläufigen Besitz ihres Vaters umherstreifen und sich in der freien Natur bewegen konnte.
Margaret hatte die Erziehung ihrer Tochter vollkommen in Miss Enders’ Hände gelegt und widmete sich begeistert der Pflege ihrer Blumen und mit noch mehr Elan der Kultivierung des Obstgartens hinter dem Haus. Gemeinsam mit Köchin Tilly, die sich inzwischen daran gewöhnt hatte, dass ihre Herrin eigenartige Vorlieben hatte, stand sie stundenlang in der Küche, legte Saures ein und kochte süße Marmeladen.
Der zweite Sommer auf der Plantage war heiß und feucht.
»Die Luft liegt wie ein nasser Lappen über allem. Ich bin so matt, dass ich mich fast nicht bewegen kann. Wie machst du das nur, dass du gar nicht schwitzt, Phibbah?«, stöhnte Margaret und fächelte sich mit einem Palmwedel Kühlung zu. Seit drei Tagen hatte sie ihren kleinen Salon kaum verlassen, lag ausgestreckt auf ihrer Chaiselongue und litt. Phibbah kam näher.
»Madam, ich bitte um Verzeihung, aber mir scheint, es ist nicht
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