Koenigin der Meere - Roman
Zähne zusammen und schwebte hinter Miss Maddles her, als hätte sie rohe Eier unter den Füßen.
Jeden Abend vor dem Zubettgehen kam Jubilo in ihr Zimmer, und Anne erzählte ihm von den schrecklichen Schwestern Maddles. Jubilo konnte gar nicht genug bekommen von ihren Schilderungen und war bald in der Lage, die schwarzen Krähen nachzuahmen, ohne sie jemals gesehen zu haben. Der kleine Junge liebte Anne über alles und tröstete sie, indem er sie an die Plantage und ihr Pony erinnerte.
»Es ist doch nicht mehr lange. Mom hat gesagt, wir gehen bald
zurück. Und wenn ich sehr brav bin, darf ich dich fragen, ob ich auch mal auf Zebrony reiten kann. Ich bin doch sehr brav, oder?« Anne nickte und lachte.
»Du bist wirklich sehr, sehr brav, Jubilo. Und wenn Kabelo wieder bei uns ist, werde ich ihm sagen, dass er dir das Reiten beibringen soll.« Jubilo strahlte.
Anne hielt bis zum Ende des Schuljahres durch. Sie dachte oft an James und fühlte jedes Mal ein ungekanntes Kribbeln im Bauch. Doch James war auf Kaperfahrt, würde erst Monate später wieder in den Hafen kommen, und so widerstand sie der Versuchung, in Hemd und Hose zu schlüpfen und zum Hafen zu laufen.
Die Lehrerinnen bewerteten ihre Leistungen unterschiedlich. Während die jüngere Schwester Maddles Annes Intelligenz, Auffassungsgabe und Lerneifer in den höchsten Tönen lobte, hatte die ältere einiges an ihren musischen Fähigkeiten auszusetzen, schrieb aber gnädig, dass sie sich vom folgenden Jahr Fortschritte erhoffte.
William Cormac war zwei Wochen zuvor mit Phibbah und Jubilo auf die Plantage gefahren.
»Phibbah kann alles waschen, lüften und herrichten, dann hast du damit keinen Ärger, wenn du mit Anne und Tilly nachkommst«, hatte er seine Frau überzeugt.
Anne sprang aus dem Kanu und rannte zum Haus. Ihr Vater stand auf der Veranda und sprach mit Kabelo, der den Holzboden ausbesserte, als Anne mit ausgebreiteten Armen um die Ecke gerannt kam.
»Daddy! Es ist so schön, wieder hier zu sein!« Sie sah zu Kabelo, der ihr den Rücken zugekehrt hatte. Frische Narben von Peitschenhieben zogen sich über seine Schultern. Anne schlug die Hände vor den Mund. Langsam ging sie zu Kabelo, stellte sich vor ihn und flüsterte leise: »Es tut mir so unendlich leid, bitte verzeih mir. Aber es hat so gebrannt in mir, dass ich nicht anders konnte, ich musste einfach fort.« Kabelo sah sie aus traurigen Augen an und schwieg.
In diesem Sommer war alles anders. William Cormac hatte ein großes Stück Wald roden lassen, um die Plantage zu erweitern. Das Gebiet war jetzt so groß, dass er frühmorgens sein Pferd satteln ließ und erst nach Anbruch der Dunkelheit wieder zurückkehrte. Kabelo lebte
nicht mehr allein in seiner Hütte. Er hatte auf den Feldern eine junge Mulattin kennengelernt. Als ihre Schwangerschaft sichtbar wurde, hatte Cormac ihm erlaubt, sie zu heiraten. Die Frau begegnete Anne mit dem gebotenen Respekt, aber ohne Wärme. Anne spürte, dass sie nicht erwünscht war, und hielt sich schuldbewusst von dem kleinen Häuschen fern.
Zwei Wochen später passte sie Kabelo auf der Koppel ab.
»Kabelo, bitte, ich habe das nicht gewollt und alles getan, um es wieder gutzumachen.« Sie erzählte ihm von ihrer Zeit bei den schwarzen Krähen.
»Ich bin nur dort geblieben, weil ich wollte, dass Daddy dich wieder vom Feld holt. Kannst du mir verzeihen?«
»Miss Anne, es ist gut, wie es ist. Wenn ich nicht auf den Feldern gearbeitet hätte, hätte ich meine Frau nicht gefunden und wahrscheinlich niemals mehr Kinder gehabt.« Anne trat von einem Fuß auf den anderen.
»Warst du bei Bojo? Wie geht es Guaini und Comomo? Werden wir sie bald besuchen?« Kabelo schüttelte den Kopf.
»Nein, Miss Anne, Bojo lebt nicht mehr auf seiner Lichtung. Dein Vater hat neue Reisfelder anlegen lassen und ist damit zu sehr in Bojos Nähe gekommen. Bojo und seine Familie sind fort. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen sind.«
Noch in derselben Nacht stahl sich Anne aus dem Haus und ritt zu der Lichtung. Kabelo hatte die Wahrheit gesagt. Nicht einmal ein Stückchen Holz erinnerte daran, dass hier eine Hütte gestanden, ein Feuer gebrannt und Menschen gelebt hatten. Anne klopfte Zebrony auf den Hals und wollte gerade den Rückweg antreten, da sah sie hinter den neu angelegten Feldern Lichter blitzen. Von den Hütten der Sklaven drang lautes Trommeln herüber. Anne lenkte ihr Pony in die Richtung, aus der die Geräusche kamen.
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W illiam Cormac hatte sein
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