Koenigin der Meere - Roman
sich förmlich um sie. Ich werde Erkundigungen einziehen, und wer weiß, vielleicht können wir nächstes Jahr um diese Zeit schon ihre Verlobung bekanntgeben.« Cormac registrierte mit gespannter Aufmerksamkeit, dass Gordon Fatstone, der Sohn des reichsten Plantagenbesitzers der Region, jetzt schon zum vierten Mal mit seiner Tochter tanzte.
»Über den brauche ich keine weiteren Informationen«, flüsterte er seiner Frau zu. »Dieser Gordon ist die beste Partie seiner Generation. Ich kenne den Vater und habe auch den Junior schon auf Auktionen erlebt. Sehr geschäftstüchtiger Bursche.« Margaret legte lächelnd die Hand auf seinen Arm.
»William, vergiss nicht, Anne zumindest zu fragen, bevor du sie verheiratest.«
Die Musiker machten eine Pause, und Gordon Fatstone geleitete Anne zu ihren Eltern. Formvollendet stellte er sich Margaret mit einem gehauchten Handkuss vor, verbeugte sich vor Cormac und erbot sich, etwas zu trinken zu holen. William hatte nicht einmal Zeit, seine Tochter zu fragen, wie ihr der junge Mann gefiel, da nahte dieser mit vier Champagnergläsern. Während Margaret mit interessiertem Ausdruck zuhörte, wie die beiden Männer sich über Reisanbau und Reisernte, Kauf und Verkauf von Saatgut unterhielten, bemühte sich Anne, ein gelang weiltes Gähnen zu unterdrücken. In ihren Augen war Gordon ein aufgeblasener Angeber, der lausig tanzte und ihr so häufig auf die Zehen getreten war, dass beide Füße schmerzten. Statt ihrem Impuls nachzugeben und einfach zu verschwinden, blieb sie bei ihren Eltern stehen und lauschte widerwillig Gordons Protzerei. So gab es kein Entrinnen, als die Musik wieder einsetzte. Gordon bot Anne den Arm und zwang sie mit sanfter Gewalt zurück auf die Tanzfläche.
Eine Stunde später, Anne hatte darum gebeten, ein wenig frische Luft schöpfen zu dürfen, und eigentlich gehofft, ihre Eltern würden sie begleiten, stand sie mit Gordon auf der Veranda. Durstig vom Tanz leerte der gerade sein sechstes Glas Champagner. Vielleicht lag es an
der Wirkung des prickelnden Getränkes, dass er plötzlich und ohne Vorwarnung seinen Arm um Annes Taille legte, sie an sich zog und küsste. Angeekelt stieß Anne ihn vor die Brust und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden. Doch Gordon ließ nicht los. Angestachelt von ihrem Widerstand küsste er Anne gleich noch einmal.
Anne fühlte eine glühende Zornwelle aufsteigen. Unfähig, sie zu kontrollieren, ballte sie ihre Hände zu Fäusten und verpasste Gordon einen rechten Haken direkt auf die Nase. Noch bevor der sein Taschentuch zücken und vor das blutüberströmte Gesicht halten konnte, winkelte sie blitzschnell ihr Knie an und stieß es ihm zwischen die Beine. Gordon japste nach Luft, klappte zusammen und ging zu Boden.
»Das wird dich lehren, du Flegel; was denkst du, wen du vor dir hast!«, schrie Anne in einer Lautstärke, die die Musik übertönte und Neugierige anlockte. Die Musiker hörten auf zu spielen, die Veranda füllte sich mit Menschen. Anne stand in einer Ecke und rieb sich unbeteiligt die Fingerknöchel. Ohne sie zu fragen, was geschehen war, schnappte William Cormac seine Tochter und verließ, gefolgt von einer kreidebleichen Margaret, den Ort des Geschehens.
Nachdem Gordon Fatstones gebrochene Nase sogar der lokalen Zeitung eine Meldung wert gewesen war, wurde der Vorfall das Gesprächsthema der folgenden Wochen. Anne erklärte ihren Eltern vergeblich, dass sie sich nur gegen Gordons Zudringlichkeit gewehrt hatte. Doch ihr Vater stellte den Fechtunterricht ein, und Margaret lag in ihrem Zimmer, trank Limonade und murmelte ein ums andere Mal: »Was für ein Skandal.«
Als die Wogen sich geglättet hatten, traf William Cormac eine Entscheidung.
»Es hat keinen Sinn. Sie muss in feste Hände, und zwar bevor sie noch weiteres Unheil anrichten kann.« Margaret stimmte ihm zu
»Ich werde mich in den Reihen meiner Geschäftspartner umsehen. Annes Schönheit und mein Geld werden dafür sorgen, dass sich ein geeigneter Kandidat findet, der sie zu zähmen versteht. Und bis ich den Richtigen gefunden habe, kein Wort zu Anne. Wer weiß, was ihr sonst noch einfällt.«
Anne ahnte nichts von den drohenden Wolken, die sich über ihr
zusammenbrauten. Bemüht, den Zwischenfall vergessen zu machen, folgte sie Mr. Fidgets Stunden und Miss Holys frommen Ermahnungen und war überglücklich, als ihr Vater eines Tages den Fechtunterricht wieder aufnahm. Cormac hätte es niemals zugegeben, aber die Lektionen, die er seiner
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