Koenigin der Meere - Roman
Kinder bekommen, ein großes Haus führen und auf dem gesellschaftlichen Parkett Charlestons brillieren. Er nahm seine Tochter fest in den Arm.
»Wir wissen nicht, was plötzlich in sie gefahren ist. Phibbah hat dich angegriffen. Du hast dich gewehrt. Es war ein Unfall. Du wolltest sie nicht töten!«, beschwor er sie. Anne nickte benommen und schluchzte.
»Ich wollte sie wirklich nicht töten. Daddy, ich will nicht ins Gefängnis.« Cormac strich ihr beruhigend über den Kopf.
»Du musst nicht ins Gefängnis. Geh in dein Zimmer.« Er warf einen Blick auf ihr mit Blut und Erbrochenem besudeltes Kleid. »Zieh dich um und ruh dich ein wenig aus. Wichtig ist nur, dass du, egal, wer dich fragt, dabei bleibst, dass Phibbah dich angegriffen hat. Um den Rest kümmere ich mich. Wenn wir die Nerven behalten, wird nichts geschehen. Wen interessiert schon eine Sklavin, die bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.«
Damit keine Arbeitszeit verloren ging, fanden Bestattungen auf der Plantage nur nachts statt. Phibbah war außerordentlich beliebt gewesen, und so folgten alle Sklaven dem kleinen Wagen, auf dem der in ein Leintuch gewickelte Leichnam lag. William und Margaret führten den Trauerzug an, hinter ihnen ging Anne, den kleinen Jubilo fest an der Hand. Schockiert vom Tod seiner Mutter stolperte er neben Anne her.
Die Sklaven hatten ihre besten Kleider angezogen und begleiteten Phibbah unter lauten Gesängen zu ihrer letzten Ruhestätte. Blass und
aufrecht stand Margaret am offenen Grab. Kabelo stimmte einen traurigen Singsang aus seiner Heimat an, und Anne meinte in seinen Augen zu sehen, dass er die Wahrheit kannte. Sie senkte den Blick.
Cormac behielt recht. Niemand kam und fragte. Auf der nächsten Auktion kaufte er eine neue Haussklavin. Magru war nicht halb so hübsch wie Phibbah, nicht halb so intelligent, aber sie machte ihre Arbeit gut. Margaret gewöhnte sich daran, nach Magru zu rufen, wenn sie etwas brauchte, und ganz allmählich begann Anne zu glauben, dass ihre schreckliche Tat ein Unfall gewesen war. Ihre Albträume verschwanden.
Was sie an seiner Mutter verbrochen hatte, versuchte Anne an Jubilo wieder gutzumachen. Margaret hatte das Kind noch an Phibbahs Sterbetag im Haus aufgenommen und sorgte dafür, dass er angemessen gekleidet und erzogen wurde. Jubilo half in der Küche, holte Holz, erledigte kleine Botengänge. Was immer man ihm auftrug, erledigte er prompt und für sein Alter äußerst gewissenhaft. Aber am liebsten war er mit Anne zusammen, die ihm Reitunterricht gab und ihm alles zeigte, was sie von Bojo gelernt hatte. Phibbahs letzte Worte klangen ihr immer wieder im Ohr, auch wenn es ihr merkwürdig vorkam, dass dieser kleine Junge mit der milchkaffeefarbenen Haut ihr Bruder sein sollte. Doch darüber sprach sie mit niemand, nicht einmal mit Jubilo.
-11-
H erbst und Winter 1715 verliefen anders als gewohnt. Im Hause Cormac herrschte Betriebsamkeit. Annes gesellschaftliches Debüt stand bevor.
»Ich schwöre es, Daddy, ich schwöre es! Ich will alles tun, was du von mir verlangst, aber schick mich nicht wieder zu den Maddles-Krähen«, hatte sie ihren Vater auf Knien angefleht und schließlich mit der Unterstützung ihrer Mutter sein Herz erweicht.
»Du bekommst eine letzte Chance, aber wenn es wieder Ärger gibt, helfen dir keine Bitten und keine Tränen, Prinzessin!«
Cormac wehrte ihre stürmischen Dankesküsse ab.
»Und wenn ich wirklich folgsam bin und niemand etwas zu klagen hat, wirst du mir dann auch fechten beibringen?« Annes schmeichelnde Stimme, ihr bittender Augenaufschlag ließen Cormac schmelzen. Er nickte.
»Wenn du wirklich alles tust, was man von dir erwartet, werde ich dir fechten beibringen, auch wenn ich es noch immer für eine unsinnige Beschäftigung für eine junge Dame halte.«
Mit Charme und einem tiefen Griff in die Geldbörse war es Margaret gelungen, Miss Holy und Mr. Fidget erneut zu verpflichten. Beide waren voll des Lobes über Annes verändertes Gebaren, und nach vier Wochen stand sie ihrem Vater mit gezücktem Degen gegenüber und übte die korrekte Fußstellung.
»Wenn du so anmutig tanzt, wie du die Waffe führst, wird dein erster Ball ein großer Erfolg. Und damit das so wird, ab jetzt, deine Mutter wartet schon mit der Schneiderin.« Cormac lachte und nahm Anne den Degen ab.
Margaret war in ihrem Element. Die Schneiderin hatte meterweise feinste Stoffe, Spitzen und Bänder zur Auswahl gebracht. Auf dem Tisch lagen Modeblätter mit den
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