Koenigin der Meere - Roman
Wickel anzulegen. Doch diesmal halfen die sonst wirksamen Mittel nicht. Margaret starrte aus glasigen Augen geistesabwesend an die Zimmerdecke. Ihr Gesicht war heiß und gerötet. Als er ihr ein wenig Brühe einflößen wollte, sah Cormac ihre scharlachrote Zunge. Er schickte sofort nach dem Arzt.
Der Doktor untersuchte die Patientin gewissenhaft, nahm einen Aderlass vor und runzelte besorgt die Stirn.
»Wenn ich mich nicht sehr irre, haben wir es hier mit Gelbfieber zu tun. Genaueres kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich komme morgen früh wieder, dann sehen wir weiter.«
William wachte die ganze Nacht an Margarets Bett. Er kühlte ihr die heiße Stirn mit feuchten Tüchern, deckte sie zu, wenn sie vor Schüttelfrost zitterte, und hielt ihren Kopf, wenn sie sich übergab.
Der Arzt drehte Pillen, gab Pulver und Tropfen zum Einnehmen, doch wenn Margarets revoltierender Magen ausnahmsweise einmal etwas bei sich behielt, verbesserte es ihren Zustand nicht. Nach einer Woche lag sie entkräftet, schmal und zerbrechlich in ihren spitzenbesetzten Kissen.
An einen Umzug auf die Plantage war nicht zu denken. Anne, die mit den Malariaanfällen ihrer Mutter aufgewachsen war, machte sich keine großen Sorgen. Stattdessen genoss sie jeden Tag, an dem sie sich mit James Bonny treffen konnte. Der junge Mann hatte bereits seine vierte Kaperfahrt hinter sich und nahm innerhalb der Piratenhierarchie eine ungewöhnliche Stellung ein. Sein Charme, sein blendendes Aussehen und seine guten Umgangsformen hatten den Kapitän veranlasst, Bonny trotz seiner jungen Jahre die Verhandlungen an Land zu überlassen. Ganz gleich, wo das Schiff ankerte, wenn Bonny mit den Kaufleuten sprach, erzielte er immer Höchstpreise für das erbeutete Gut.
»Mein Anteil ist entsprechend, und irgendwann werde ich mein eigenes Schiff haben«, träumte er, und Anne, die im Sand neben ihm lag, träumte mit ihm.
»Und dann fahre ich mit dir, und gemeinsam werden wir die Küsten von hier bis La Tortuga unsicher machen. Das ist das Leben, das
ich mir schon gewünscht habe, als ich noch ein kleines Mädchen war.« Bonny zwickte sie in die Wange.
»Weißt du denn nicht, dass Frauen auf Kaperschiffen verboten sind?« Anne stützte sich auf die Ellbogen und richtete ihren Oberkörper auf.
»Aber wenn du der Kapitän bist, kannst du doch entscheiden, wer mit an Bord kommt.«
»Kann ich nicht!«, widersprach Bonny. »Auch der Kapitän darf keine Frau mitbringen. Das ist so festgeschrieben wie die Anteile der Mannschaft.« Anne quittierte die Bemerkung mit einem empörten Schnauben.
»Und ich schwöre dir, wenn ich auf ein Schiff will, dann komme ich da auch drauf!«
James Bonny küsste sie und schob seine Hand unter ihren Rock.
Der Arzt hatte richtig diagnostiziert. Margaret litt unter Gelbfieber. Durch die von der Infektion angegriffene Leber hatten nicht nur ihre Augen, sondern auch die Haut am ganzen Körper einen gelblichen Farbton angenommen.
In seiner Verzweiflung schickte Cormac eine Nachricht an Kabelo auf die Plantage und bat ihn, sich bei Nana in der Sklavensiedlung nach einem Heilmittel zu erkundigen, das der weiße Doktor vielleicht nicht kannte. Tatsächlich kam Kabelo mit einem Rezept nach Charleston, das bisher noch nicht angewandt worden war.
Nana ließ von der Plantage ausrichten, man möge die Kranke von Kopf bis Fuß mit Lehm bestreichen und danach mit feuchten Tüchern umwickeln. Den Lehm hatte Kabelo in einer Kiste mitgebracht. Viel zu schwach, um sich zu wehren, ließ Margaret die Tortur über sich ergehen.
In der Nacht kam die Krise. Aus dem Mund der Patientin quoll zunächst ein Schwall klarer Flüssigkeit, dann erbrach sie sich mehrmals blutig, bis endlich nur noch eine schwarze Masse erkennbar war. Cormac hatte die vergangenen Nächte am Bett seiner Frau verbracht; als sie in den frühen Morgenstunden mit schweißbedecktem Gesicht zur Ruhe kam und er ihren flachen, aber gleichmäßigen Atem hörte, schlief auch er für ein paar Stunden ein.
Jubilo stand am Bett und wusch Margarets Gesicht behutsam mit Lavendelwasser, als Cormac erwachte. Anders als Anne war der kleine Junge während der Krankheit kaum von Margarets Seite gewichen, hatte ihre Hand gehalten und bereitwillig alles herbeigeschafft, was die Patientin brauchte. Cormac strich sich über das unrasierte Kinn und dachte an Phibbah, ihr liebenswürdiges, hilfsbereites Wesen und dass ihr Sohn es geerbt hatte. Wenn Jubilo erst alt genug war, würde er ihn freilassen, ihm
Weitere Kostenlose Bücher