Koenigin der Meere - Roman
bestimmt nichts dagegen haben. Schließlich lädt er ihn ja selbst in unser Haus ein.« Anne vollführte eine kleine Pirouette. Ihre Enttäuschung war grenzenlos, als William Cormac am Nachmittag energisch ablehnte.
»Das kommt auf keinen Fall infrage. James Bonny ist ganz sicher
nicht der Mann, dem ich dich auch nur für eine Stunde, geschweige denn für mehr anvertrauen würde. Schlag ihn dir aus dem Kopf, bevor er sich dort festsetzt. Er ist nicht seriös genug für dich.« Anne stampfte wütend mit dem Fuß auf.
»Als wir auf den Ball gegangen sind, hast du selbst gesagt, dass ich mich ein wenig umschauen soll, ob mir jemand gefällt. Da hat mir aber keiner gefallen, und jetzt, wo ich einen gefunden habe, der mir gefällt, soll er nicht gut genug sein!«
»Erinnere mich nur nicht an den Ball und das Durcheinander, das du angerichtet hast, und überlass es gefälligst mir, mich um deine Zukunft zu kümmern.« Anne wusste, dass weiterer Widerspruch zwecklos war, und rannte aus dem Haus. In aller Eile legte sie der Stute ihrer Mutter das Zaumzeug an und warf sich ohne Sattel auf den Rücken des Tiers.
»Sie wird sich schon wieder beruhigen und kommt gleich zurück. Sie muss lernen, dass nicht immer alles nach ihrem Willen geht«, beruhigte Cormac Margaret, während seine Tochter in wildem Galopp zum Hafen ritt.
Anne glitt vom Pferd und führte es langsam durch die kleine Gasse. In der dritten Taverne wurde sie fündig. Sie befestigte die Zügel an dem Pflock vor der Kneipe und stellte sich in den Türrahmen. Bonny saß mit ein paar Kumpanen an einem Tisch, vor sich einen Krug Bier. Auf seinem linken Oberschenkel hatte es sich ein junges Mädchen bequem gemacht. Ihre Bluse war so tief ausgeschnitten, dass Anne den Ansatz ihrer Brustwarzen sehen konnte. Anne verharrte stocksteif in der Tür und fixierte Bonny mit starrem Blick. Als er sie bemerkte, erhob er sich so abrupt, dass das junge Mädchen unsanft von seinem Schoß auf den Boden glitt. Ihre Armreifen klimperten, während sie ihrem Galan üble Beschimpfungen nachrief. Bonny eilte zur Tür und stand vor Anne.
»Miss Cormac, was tun Sie denn hier?« Er nahm sie am Arm und führte sie hinaus.
»Ich wollte mich für die wunderschönen Blumen bedanken«, sagte Anne mit fester Stimme. Bonny lachte ein warmes, jungenhaftes Lachen.
»Aber hätte das nicht Zeit gehabt, bis wir uns in einer Ihnen angemesseneren
Umgebung treffen?« Anne zuckte die Achseln und seufzte.
»Das wird leider nicht so einfach sein, denn mein Vater möchte nicht, dass wir uns überhaupt treffen.« Bonny zögerte einen Augenblick und sah sie eindringlich an.
»Aber Sie sind da offenbar anderer Ansicht?«
»Ganz anderer Ansicht«, antwortete Anne und dachte: Was für wunderschöne Augen er hat.
»Nun, dann müssen wir einen Weg finden, uns zu sehen, ohne dass Ihr Vater etwas davon erfährt, nicht wahr?« Bonny griff nach ihrer Hand, und Anne spürte einen Schauer über ihren Rücken laufen. Die Verabredung war schnell getroffen, und Anne ritt voller Vorfreude zurück nach Hause.
Mit gesenktem Kopf trat sie ihren Eltern unter die Augen.
»Ich bitte um Verzeihung für mein Verhalten. Du hast selbstverständlich recht mit dem, was du sagst, Daddy, schließlich kennst du Mr. Bonny besser als ich.« Cormac warf Margaret einen triumphierenden Blick zu.
»Wenn du doch nur endlich lernen würdest, dein Temperament besser zu beherrschen. Immerhin hast du dich entschuldigt. Und was deine Zukunft betrifft, sei sicher, dass ich einen passenden Mann für dich finden werde. Ich habe sogar schon jemand im Auge und werde dich zu gegebener Zeit in Kenntnis setzen.« Nur mit Mühe gelang es Anne, ihr Entsetzen zu verbergen.
Dreimal hatte sie sich mit Bonny an einem verschwiegenen Plätzchen getroffen, beim letzten Mal hatte er sie zum Abschied geküsst. Anne saß mit einem derart beseelten Ausdruck beim Abendessen, dass sie sich fast verraten hätte.
In den folgenden Wochen galt es, den alljährlichen Umzug auf die Plantage vorzubereiten. Anne fand immer wieder Gelegenheiten, unbemerkt für ein paar Stunden zu verschwinden.
Margaret war gerade damit beschäftigt, das feine Tischleinen ordentlich gefaltet mit ausreichend Kampfer in einer schweren Truhe zu verstauen, als sie von einem heftigen Schwindel erfasst wurde und ohnmächtig zu Boden sank.
Cormac, der zunächst davon ausging, dass seine Frau eine ihrer üblichen Fieberattacken hatte, trug sie in ihr Bett und befahl Magru, kühlende
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