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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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ordentliche Papiere und ausreichend Geld geben. Als Mulatte hatte er eine Chance, sein Auskommen zu finden, ohne versklavt leben zu müssen.
    »Mr. Cormac, Sir, Sie werden sehen, gleich macht sie die Augen auf.« Jubilo riss ihn aus seinen Gedanken und sprach mit solcher Bestimmtheit, dass Cormac nicht überrascht war, als seine Frau kurz darauf tatsächlich ihre Augen öffnete und mit dem Anflug eines Lächelns um etwas zu trinken bat.
    Der Arzt war sehr zufrieden mit der Entwicklung und beschloss, die Lehmpackung in sein Repertoire aufzunehmen, ohne jemals preiszugeben, dass es sich um eine Sklavenmedizin handelte. Einige Tage sah es so aus, als befände sich Margaret auf dem Wege der Besserung. William Cormac verbrachte seine Tage damit, aufzuarbeiten, was liegen geblieben war. Jubilo heiterte Margaret mit seinen Späßen auf oder las ihr etwas vor. Anne nutzte die allgemeine Geschäftigkeit und traf sich fast jeden Tag mit James Bonny.
    Der Schein trog. Durch ihren jahrelangen Kampf gegen die Malaria war Margarets Körper nicht stark genug, um das Gelbfieber zu besiegen. Ihre Haut verfärbte sich zusehends stärker, und sie begann an den Schleimhäuten zu bluten. Der Arzt entschied, die Lehmpackung wieder aus seinem Repertoire zu streichen, und machte Cormac keine Hoffnungen mehr.
    Es war ein Nachmittag im späten März, als Margaret leise wimmernd nach ihrer Tochter rief. Jubilo durchkämmte jeden Winkel des Hauses, konnte sie jedoch nicht finden. Als Margaret am frühen Abend ihren letzten Atemzug tat, saß William Cormac am Bett, hielt ihre magere, gelbe Hand und weinte.
    Erhitzt und glücklich kehrte Anne von ihrem Treffen mit James Bonny zurück und ging wie immer ins Zimmer ihrer Mutter, um sich
nach ihrem Befinden zu erkundigen. Mit zerrauftem Haar, verquollenen Augen und wirrem Blick starrte ihr Vater sie an.
    »Wo bist du gewesen?«, rief er heiser und umfasste ihr Handgelenk so fest, dass Anne aufstöhnte.
    »Was ist mit Mummy?«
    »Was ist mit Mummy? Was ist mit Mummy?«, äffte ihr Vater sie wütend nach.
    »Deine Mutter ist tot! Sie hat nach dir gefragt, aber du warst nicht da. Sie hat geweint, gebetet, gewimmert und bis zum Ende deinen Namen geflüstert. Aber du warst nicht da. Das hat ihr das Herz gebrochen! Du hast sie umgebracht!« Cormac versetzte seiner Tochter eine Ohrfeige, dass sie nach hinten taumelte. Tränen schossen ihr in die Augen. Verzweifelt stürmte sie in ihr Zimmer, warf sich auf ihr Bett und weinte bitterlich.
    Als Anne am Abend am Bett ihrer Mutter kniete und betete, saß ihr Vater mit trüben Augen in seinem Arbeitszimmer und ertränkte seinen Kummer mit einem großen Krug Rum. Zart und feingliedrig lag Margaret unter der Decke. In den gefalteten Händen hielt sie ein kleines Kreuz. Die Qualen der letzten Stunden waren von ihrem Gesicht gewichen. Anne streichelte ihre Wange und flüsterte schluchzend: »Ich habe dich nicht umgebracht, Mummy, ich habe dich sehr lieb gehabt. Und wenn du ihn gekannt hättest, würdest du verstehen, warum ich bei James war, als du mich gerufen hast. Bitte verzeih mir.«
    Unbemerkt hatte Jubilo das Zimmer betreten und kniete neben Anne nieder. Er sah sie von der Seite an.
    »Jetzt haben wir beide keine Mom mehr, nicht wahr?« Tränen liefen über sein Gesicht, Anne wischte sie mit ihrem Rocksaum ab.
    »Nein, jetzt haben wir beide keine Mom mehr.« Sie nahm ihn fest in die Arme.
    »Aber ich habe dich, und du hast mich.« Jubilos Stimme klang zuversichtlich. Anne stand auf und nahm ihn an der Hand.
    »Lass mich noch einen Augenblick mit meiner Mummy allein. Warte in meinem Zimmer auf mich.« Sie schob den kleinen Jungen behutsam zur Tür.
    Anne dachte an Phibbah, an die verletzenden Worte ihres Vaters. Sie küsste ihre Mutter auf die Stirn und murmelte noch einmal: »Verzeih
mir.« Dann straffte sie die Schultern und ging mit festem Schritt zum Kleiderschrank. Ganz hinten, links in der Ecke, stand ein kleiner Holzkasten, in dem Margaret ihren Schmuck aufbewahrte. Anne öffnete die Schatulle, nahm heraus, was sie für wertvoll hielt, und wickelte die Juwelen in ein Taschentuch. Sie stellte das Kistchen wieder an seinen Platz, ging zum Nachttisch, nahm eine kleine Pistole heraus und verließ den Raum.
     
    Margaret wurde feierlich zu Grabe getragen. William führte den Trauerzug an. Hinter ihm gingen Anne und Jubilo, Kabelo, Magru und Tilly mit gesenkten Köpfen. Tilly weinte so laut, dass es beinahe unschicklich war. Viele Charlestoner Bürger waren

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