Koenigin der Meere - Roman
gekommen, der Toten die letzte Ehre zu erweisen. Der Pfarrer sprach ergreifend.
»In ihrer Bescheidenheit, Zurückhaltung und Milde war sie uns allen ein Vorbild.« Bei diesen Worten sah er Kabelo, Magru und Jubilo an. Leises Murmeln drang aus den Reihen der Trauergäste, denn Margarets Umgang mit ihren Sklaven hatte alle verwundert.
»Wir trauern mit dem Witwer und seiner Tochter«, beendete der Pfarrer seine Ansprache und faltete die Hände zum Gebet.
William Cormac ließ einen Grabstein aus feinstem Marmor anfertigen. »Hier ruht in Frieden Margaret Cormac, meine geliebte Frau«, stand unter Geburts- und Sterbedatum.
Sein Zorn auf Anne legte sich nicht am nächsten und nicht am übernächsten Tag. Feindselig starrte er sie an und wechselte kein Wort mit ihr. Anne ging ihm aus dem Weg, so gut sie konnte. Das Verhalten ihres Vaters bestärkte sie in ihrem Entschluss.
Eine Woche nach der Trauerfeier traf sie sich mit James Bonny und teilte ihm ihren Plan mit.
»Du bist doch ein guter Verkäufer. Nimm das und sieh zu, dass du möglichst viel Geld dafür bekommst, und dann kauf uns zwei Schiffspassagen, wohin du willst. Ich bleibe nicht länger in Charleston, und ich werde auch nicht mit meinem Vater zurück auf die Plantage gehen. Er hasst mich, macht mich verantwortlich für den Tod meiner Mutter, und außerdem will er mich mit irgendeinem Mann verheiraten, den ich noch nicht einmal kenne.« James Bonny zuckte zusammen. Der Gedanke, dass Anne einen anderen heiraten sollte, versetzte ihm
einen Stich. Weniger, weil er es nicht ertragen hätte, sie zu verlieren, als vielmehr, weil er sich ausgerechnet hatte, dass sie eine gute Partie war, die er selbst zu machen gedachte. Ihr Vater war reich, und eines Tages würde Anne als einziges Kind alles erben. Bonny sah sich als ehrbarer Bürger von Charleston und Besitzer einer ertragreichen Reisplantage.
»Wenn du möchtest, könnten wir uns auf dem Schiff trauen lassen. Wir verschwinden für eine Weile, und wenn wir wieder nach Charleston zurückkommen, sind wir Mann und Frau, und dein Vater wird sich daran gewöhnen.« Anne war begeistert von der Idee.
»Wie lange brauchst du, um den Schmuck zu verkaufen?«, fragte sie pragmatisch.
»Höchstens zwei Wochen, dann sollten wir das Geld in der Hand haben.« Bonny wickelte die Juwelen behutsam aus und begutachtete Goldschmiedearbeit und den Schliff der Steine. Das Paar beschloss, sich in den kommenden zwei Wochen nicht zu sehen.
»Wir sollten jetzt vorsichtig sein und keinen Verdacht erregen. Ich lasse dir eine Nachricht zukommen, welches Schiff wir nehmen und wann es ausläuft. Hier«, er reichte ihr einen Seesack. »Du packst das Notwendigste und kommst dann zum Hafen.« Das Vorhaben wurde mit einem innigen Kuss besiegelt, und Anne kehrte leichteren Herzens zurück nach Hause.
Dort war das Personal unter Kabelos Aufsicht damit beschäftigt, den Umzug auf die Plantage vorzubereiten. Cormac drängte zur Eile. Die Trauer um Margaret hatte tiefe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, er war reizbar und ungeduldig, trank zu viel Rum, nahm kaum feste Nahrung zu sich und war so dünn geworden, dass seine ehemals maßgeschneiderte Kleidung um seinen Körper schlotterte. Niemand bemerkte, dass Anne unter dem Bett den gepackten Seesack versteckt hielt. Trotz der aufrichtigen Trauer über den Tod ihrer Mutter freute sie sich auf das bevorstehende Abenteuer - und wäre beinahe glücklich gewesen, wenn da nicht die Sorge um Jubilo gewesen wäre. Er hatte sich völlig verändert. War still, in sich gekehrt, und seine großen schwarzen Augen schauten traurig in eine Welt, die für ihn aus den Fugen geraten war.
Weil Anne ihm im Hinblick auf ihre Flucht verboten hatte, in ihrem
Zimmer zu schlafen, schlich Jubilo jede Nacht aus seiner kleinen Kammer und legte sich auf den blanken Boden vor ihre Tür. Anne schimpfte, sie brachte ihn zurück in sein Bett, sie versprach Belohnungen, wenn er dort bliebe. Nichts half.
»Kümmere dich um ihn, er ist dein Bruder«, klangen Phibbahs Worte in ihrem Ohr, und als von James die Nachricht kam, wann sie sich am Hafen einfinden sollte, hatte Anne beschlossen, Jubilo mitzunehmen.
»Ich habe doch nur dich«, war seine treuherzige Antwort, als sie ihn einweihte. Mit erhobener Hand schwor er, niemandem etwas zu verraten, und brachte Anne ein Hemd, eine Hose, drei kleine Holzkugeln und einen sonderbar geformten Stein.
»Kannst du das für mich einpacken? Es ist alles, was ich habe.« Anne stopfte die
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