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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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Taille. Anne spürte die Kühle der Juwelen auf ihrer Haut. Sie erinnerte sich an die Schwestern Maddles und wie sie ihr mühsam beigebracht hatten, zierliche Schritte in anmutige Bewegungen zu verwandeln. Während in ihrem Kopf die Stimme der schwarzen Krähe befahl: Beweg dich, als hättest du rohe Eier unter den Füßen. Du musst schweben, schweben wie eine Elfe, wie ein Engel, setzte sich Charley Balls wieder in den Sessel und betrachtete sie entzückt.
    »Ich habe in meinem Leben schon viele Frauen gesehen, aber du bist mit Abstand die schönste. Haut wie Alabaster, Haare wie Flammen, eine Grazie, du bist wie aus Träumen gemacht.«
    Die Vorstellung mochte eine Stunde, vielleicht auch etwas weniger gedauert haben, da stand er auf, ging zum Bett und reichte Anne ihr Nachtgewand.
    »Ich danke dir.« Balls küsste ihre Hand und verließ das Zimmer. Anne sah ihm verwundert nach. Seltsam, dieser Mann, aber wenn das alles war, was er von ihr verlangte, war sie gerne bereit, ihm seine Wünsche zu erfüllen. Sie ließ die Perlenkette durch ihre Finger gleiten.
     
    Anne lebte seit beinahe einem Jahr bei Balls. Ihre Schmuckschatulle quoll über. Ein- bis zweimal in der Woche besuchte Charley sie in ihrem Zimmer und ergötzte sich daran, wie sie nur mit Ketten, Armreifen
und anderem Geschmeide geschmückt durch den Raum tänzelte. Anne wusste, dass sie eigentlich hätte zufrieden sein müssen, doch von Tag zu Tag spürte sie es stärker, das altbekannte Brennen in ihrer Brust, die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer.
    »Anne«, Charleys Augen blitzten, »heute steht ein großer Abend bevor. Ich bitte dich, zieh das safranfarbene Seidenkleid an, und dazu wünsche ich mir die gelben Topase und die schwere goldene Armspange. Wir sind eingeladen, und du weißt, wie sehr ich es liebe, dass alle vor Neid erblassen, wenn du den Raum betrittst.« Erfreut über die Abwechslung, versucht Anne, ihm Einzelheiten zu entlocken.
    »Das muss ja eine ganz besondere Gesellschaft sein, in die wir uns da begeben.«
    »Der Gouverneur von Jamaika ist mit seiner Schwester auf der Insel und gibt ein Fest zu Ehren des Königs. Und zu Ehren des Königs wirst du die ganze Gesellschaft mit deiner Schönheit überstrahlen.«
    Hunderte Kerzen erleuchteten den Saal. Die Spiegel an den Wänden warfen ihren Schein wieder und wieder zurück. Auf der Gästeliste fand sich, wer in der Umgebung Rang und Namen hatte. Livrierte Sklaven servierten Punsch und Champagner.
    Nach dem Essen wurde zum Tanz aufgespielt. Viele Paare vergnügten sich auf dem Parkett, andere promenierten durch die Räume und tauschten die jüngsten Neuigkeiten und Klatsch aus.
    Balls bot Anne den Arm.
    »Ich werde dich jetzt der Schwester des Gouverneurs vorstellen.« Er führte sie zu vier Damen, die etwas abseits an einem der Fenster standen und das Treiben auf der Tanzfläche beobachteten.
    »Miss Lawes«, Balls machte eine vollendete Verbeugung, »darf ich Ihnen eine teure Freundin, Miss Anne Bonny, vorstellen?«
    Lucinda Lawes nickte ihr kurz zu und wandte sich an Charley.
    »Mr. Balls, mein Bruder sagte mir schon, dass wir uns hier sehen würden. Ich hoffe, Sie amüsieren sich auf dieser kleinen Veranstaltung. Natürlich können wir hier nicht bieten, was wir von Jamaika gewohnt sind, aber mein Bruder hat sich viel Mühe gegeben.« Sie verzog den Mund zu einem gekünstelten Lächeln. Charley wollte gerade zu einer galanten Antwort ansetzen, da schlug ihm von hinten ein rotgesichtiger Mann mit dickem Bauch und lauter Stimme auf die Schultern.

    »Charley, alter Gauner, ich hatte gehofft, dich hier zu treffen. Ich habe heute Morgen eine ganze Ladung indischer Stoffe in den Hafen gebracht. Hast du Interesse?« Ohne eine Silbe der Entschuldigung zog er Balls mit sich fort und redete auf ihn ein.
    Die zurückbleibenden Damen sahen den beiden nach und verharrten in erstaunter Stille.
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miss Lawes. Ich war noch nie auf Jamaika und träume schon seit Jahren davon, die Insel einmal zu besuchen. Ist es wirklich so schön dort, wie alle Leute berichten?«
    Lucinda Lawes maß Anne mit einem abschätzigen Blick.
    »Bleiben Sie lieber auf New Providence, und erfüllen Sie sich Ihre Träume hier.« Sie rümpfte die Nase. »Frauen wie Sie sind es nicht wert, von mir gekannt zu werden. Auf Jamaika haben wir schon genug Dämchen wie Sie, die uns bei allen möglichen Anlässen als teure Freundinnen von irgendjemand vorgestellt werden.« Dabei sah sie anzüglich

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