Koenigin der Meere - Roman
Waren ohne Begleitschiffe zu transportieren, doch auch wenn sie im Konvoi fuhren, gelang es den Seeräubern oft, reiche Beute zu machen. Händler, Beamte und sogar die Gouverneure der Inseln im Karibischen Meer drückten nicht nur beide Augen zu, sondern bereicherten sich in aller Öffentlichkeit an den Schätzen, die ihnen die Piraten zum Kauf anboten.
In England machte sich König George I. Sorgen über diese Entwicklung. Als alle Versuche, der Lage Herr zu werden, scheiterten, entschied er, drastische Maßnahmen zu ergreifen, und formulierte ein Edikt.
»Wir, König George I., sind unterrichtet worden davon, dass mehrere Untertanen von Großbritannien seit dem 24. Juni diesen Jahres 1715 Piraterie und Raub zur See in Westindien oder der Nähe unserer Ansiedlungen begangen und britischen Handelsschiffen großen Schaden zugefügt haben.
Gleichwohl wir ein Regiment dazu bestimmt haben, diese Piraterie zu unterdrücken, halten wir es für notwendig, und um sie wirkungsvoller zu beenden, hat unser Kronrat den Gegenstand dieses Ediktes erörtert. Hiermit erklären und versprechen wir, dass jeder Pirat, der sich bis zum 5. September 1718 oder früher einem unserer Minister in Britannien oder Irland oder einem Gouverneur oder Vizegouverneur einer unserer überseeischen Siedlungen stellt, von uns für Piraterie begnadigt wird, die er vor dem 5. Januar begangen hat.
Deshalb weisen wir unsere Admiräle, Kapitäne und Seeoffiziere sowie die Gouverneure und Festungskommandanten in unseren Kolonien
und alle übrigen zivilen und militärischen Beamten an, Piraten zu verhaften, die sich weigern, sich gemäß diesem Edikt zu stellen …
Gegeben am Hof zu Hampton am 5. September 1717 im vierten Jahr unserer Herrschaft.
Gott schütze den König!«
Piraten, die nicht bereit waren, die angebotene Amnestie anzunehmen, sollten gefangen genommen und für ihre Vergehen zum Tode verurteilt werden. König George I. und sein Kronrat waren überzeugt, dass dies ein wirkungsvolles Mittel darstellte, dem kostspieligen Treiben auf See ein Ende zu bereiten. Jetzt musste nur noch jemand gefunden werden, der das Gesetz mit aller Entschlossenheit und der gebotenen Härte durchzusetzen imstande war.
In Bristol lebte ein Mann, der die notwendigen Voraussetzungen erfüllte. Woodes Rogers, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hatte in der Vergangenheit Kühnheit, strategische Begabung, körperliche und geistige Kraft und Führungsstärke bewiesen. Im Dienst Seiner Majestät war er 1708 in Bristol aufgebrochen, über die Kanarischen Inseln, entlang der brasilianischen Küste um Kap Horn bis zur Westküste Chiles gesegelt und am 14. Oktober 1711 mit millionenschwerer Beute zu seinem König zurückgekehrt. George I. erinnerte sich an Rogers heldenhafte Expedition und beschloss, ihn zum Gouverneur zu ernennen und nach New Providence zu schicken.
»Er hat so viele Schiffe aufgebracht und gekapert, er weiß, wie die Piraten denken, wo sie ihre Schlupfwinkel haben. Er wird ihnen den Garaus machen.«
Doch bis es soweit war, gingen die Seeräuber und alle, die von ihnen profitierten, auf New Providence weiterhin ungehindert ihren Geschäften und Vergnügungen nach.
Kupfer-Cissy hatte recht gehabt. Eine Woche nach dem großen Fest kam Charley Balls eines Abends in Annes Zimmer, zündete alle Kerzen an und setzte sich in einen bequemen Sessel. Er trug einen nachtblauen, silberbestickten Seidenmantel, und Anne konnte erkennen, dass er darunter nackt war.
»Ich habe dir etwas mitgebracht und möchte dich um einen Gefallen bitten.« Balls griff in die rechte Tasche und holte eine lange
doppelreihige Perlenkette mit dazu passenden Ohrgehängen heraus. Anne ahnte, was er sich wünschte.
»Was soll ich tun, Charley, sag es mir.«
»Ich möchte, dass du dich entkleidest, langsam entkleidest, und dann hätte ich gerne, dass du das Collier anlegst, das ich dir neulich geschenkt habe, und diese Kette sowie die Ohrringe.« Charley schien nicht im Mindesten verlegen.
Langsam zog Anne sich aus, legte ihre Kleidungsstücke eines nach dem anderen sorgfältig über eine Stuhllehne und stand schließlich splitterfasernackt vor Balls. Der legte ihr erst die Diamanten, dann die Perlen um und trat einen Schritt zurück.
»Würdest du bitte dein Haar lösen und ein wenig auf und ab gehen«, bat er höflich. Anne zog die Nadeln und Kämme aus ihrer Frisur. Locke um Locke fiel rotgolden über ihre Schultern, auf die weiße Haut ihres Rückens, bis hinunter zur
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