Koenigin der Meere - Roman
flüsterte in sein Ohr.
»Was redest du denn da für ein wirres Zeug. Du weißt doch, dass ich überhaupt nur mit dir spiele.«
Für Anne begann eine schwierige Zeit. Calico Jack verfolgte sie mit seiner Eifersucht. Gleichzeitig spürte sie, dass Virgin jeden ihrer Schritte mit Argusaugen beobachtete. Der Matrose hatte Verdacht geschöpft und witterte, dass Bonny ein Geheimnis verbarg. Dennoch gelang es ihr und Mary immer wieder, ein Plätzchen zu finden, wo sie ungestört miteinander sprechen konnten. Eines davon war der stinkende
Bilgeraum, den betrat kein Seemann freiwillig. Während die beiden Frauen das faulige Wasser ins Meer pumpten, konnten sie sich ungestört unterhalten.
Gespannt hörte Anne Marys Geschichte.
»Heute noch wird mir schlecht vor Wut, wenn ich an die Zeit denke. Du ahnst nicht, was für ein boshaftes Weib diese Französin war. Kein gutes Wort, nur Gekeife und Maulschellen. Wenn sie sich anzog, musste ich ihr dabei zusehen, dann ließ sie mich französische Sätze nachsprechen, und wenn ich einen Fehler machte, musste ich auf allen vieren vor ihr niederknien und miauen wie eine Katze. Das ließ sich noch aushalten. Aber wenn sie sich erleichtern musste, benutzte sie nicht den Nachttopf oder ging ins Freie, nein, sie schiss jeden Morgen in den Kamin, weil der vom Abend vorher noch angenehm warm war. Ich musste ihr dabei die Röcke hochhalten; wenn sie dann fertig war, musste ich alles wieder sauber machen. Es war ekelhaft.« Anne lachte.
»Schlimmer als hier kann es nicht gestunken haben.«
Mary schüttelte sich angewidert.
»Und dann kam der Tag, an dem ich es nicht mehr aushielt. Das Maß war voll. In der Nacht habe ich meine Sachen gepackt und bin weggelaufen. Im Hafen lag ein Kriegsschiff. Ich hatte Glück. Der Kapitän brauchte noch einen Schiffsjungen und nahm mich mit nach Flandern. Auf dem Schiff war es schrecklich. Schläge, Brüllerei, schlechtes Essen und harte Arbeit. Beim ersten Landgang bin ich abgehauen und in Flandern zur Armee gegangen. Als Kadett habe ich nur die Waffen für die Offiziere getragen, aber dann kam es zu den ersten Kämpfen. Ich konnte ganz ordentlich mit Pistole und Degen umgehen. Da war ein junger Korporal. Max Studevand hieß er. Mein Gott, war ich verliebt.« Mary richtete sich auf und hörte auf zu pumpen. Anne sah Tränen in ihren Augen.
»Max mochte mich. Er hat mir alles beigebracht, was man über Waffen und Kampf wissen musste. Als die Front sich verlagerte, folgte ich ihm wie ein junger Hund, war immer in seiner Nähe und übernachtete in seinem Zelt. Irgendwann habe ich ihm gesagt, dass ich eine Frau bin. Er wollte mir nicht glauben und fasste mir, genau wie du neulich, zwischen die Beine. Das Gesicht vergesse ich ein Leben
lang nicht. Ich hatte mir aus zwei ausgestopften Schweinsblasen Eier genäht, einen Pimmel aus einem abgebrochenen Horn gebastelt und mit einem Band um meine Hüften befestigt. Das hat gut geklappt, ich hatte nur immer Angst, dass ich mich verletze oder ernsthaft krank werde. Stell dir nur mal vor, ein Arzt hätte mich untersuchen müssen …« Sie lachte laut auf und zeigte Anne das Horn, das sie zum Urinieren benutzte. Anne begutachtete es neidisch.
»Fabelhaft! Wenn wir das nächste Mal an Land gehen, mache ich mir auch so ein Ding, dann muss ich mich nicht mehr verstecken.«
»Nein, das musst du dann nicht mehr, du musst nur mit ordentlich Druck pinkeln, sonst tröpfelst du dir die Hosen voll.« Mary kicherte und fuhr fort: »Der arme Max, er dachte, er hätte ein Monster vor sich. Sagt ihm, dass es eine Frau ist, und hat einen Schwanz in der Hose. Erst als ich ihm meinen Busen gezeigt habe und die Hose runterließ, hat er mir geglaubt. Und dann wollte er natürlich sofort mit mir schlafen, aber ich habe mich verweigert, bis er mir versprochen hat, mich nach dem Krieg zu heiraten.«
»Bonny! Der Kapitän will dich sehen!« In der Luke des Bilgeraumes tauchte Virgins Kopf auf. Mary biss sich auf die Lippen. Anne nickte und folgte ihm die Treppe hinauf. Oben auf Deck stand Rackham und wartete auf sie.
»Wo hast du gesteckt?«, fragte er energisch.
»Ich habe in der Bilge gepumpt.« Calico sah sie skeptisch an.
»Alleine? Freiwillig? Was ist denn in dich gefahren?« Bevor Anne eine unverfängliche Antwort geben konnte, mischte sich Virgin ein.
»Nicht alleine, Sir, Bonny hat mit Marc zusammengearbeitet.« Rackhams Blick verdunkelte sich. Abrupt wandte er sich ab und fragte im Weggehen: »Wer hat das befohlen?« Anne
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