Koenigin der Meere - Roman
musste zugeben, dass sie ohne Befehl unter Deck gegangen war.
»Warte das nächste Mal gefälligst, bis du einen Befehl erhältst. Furzdonnerschlag! Es gibt hier oben genug Dinge, die zu erledigen sind. Marc soll die Bilge allein fertig machen. Mach, dass du in die Wanten kommst, der Ausguck muss abgelöst werden.« Anne kletterte gehorsam nach oben und bedauerte Mary, die jetzt ohne Gesellschaft die widerliche Arbeit alleine verrichten musste.
Virgin ließ sie nicht aus den Augen, und Anne hatte mehrere
Nächte hintereinander keine Möglichkeit, zu Calico in die Kajüte zu schlüpfen. Das verstärkte Rackhams Misstrauen.
»Wenn ich dich noch einmal in der Nähe von diesem Read erwische, erschieße ich ihn auf der Stelle. Wenn dir etwas an ihm liegt, halt dich fern von ihm.«
Anne hatte Angst. Sie dachte an James Bonnys Tod, an den Offizier, den Rackham aus der Takelage auf die Planken hatte stürzen lassen.
»Wir müssen ihn einweihen«, sagte sie bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zu Mary.
»Das kommt nicht in Frage. Wenn er mich verrät. Dann kann ich mir gleich einen Stein um den Hals binden und über die Reling springen. Sie werden über mich herfallen wie die wilden Tiere.« Mary war leichenblass.
»Calico wird dich nicht verraten. Er wird froh sein, dass ich ihm mit dir keine Hörner aufsetze. Die Juliana ist groß, und er braucht alle Hände.«
Sie kamen überein, sich aus dem Weg zu gehen, bis Anne einen günstigen Zeitpunkt fand und Rackham die Wahrheit sagte.
»Ein Weib! Read ist ein Weib! Furzdonnerschlag! Schwör mir, dass du mir keinen Blödsinn erzählst.« Anne saß aufrecht im Bett und hob die Hand zum Schwur.
»So wahr ich hier sitze und dich liebe, Marc ist eine Mary, und ich bitte dich von Herzen, sie an Bord zu behalten. Sie macht ihre Arbeit so gut wie jeder andere. Und wenn du sie deckst, kann ihr nichts passieren.« Calico willigte ein und erlaubte sogar, dass die beiden gemeinsame Wachschichten übernahmen. So hatte Mary Gelegenheit, ihre Geschichte zu Ende zu erzählen.
»Der Krieg war vorbei, und wie durch ein Wunder haben wir ihn beide unversehrt überlebt. Max bat um seine Entlassung. Wir heirateten und zogen nach Breda. Dort kauften wir von unserem gesparten Sold ein kleines Gasthaus und nannten es ›Drei Hufeisen‹. Es lief großartig. Ich stand in der Küche, Max im Schankraum. In der Nähe waren Soldaten stationiert, die regelmäßig kamen. Es ging uns gut. Dann kam das verfluchte Jahr 1713.
Der Winter war bitterkalt. Max bekam eine Lungenentzündung und starb. Ich habe versucht, das Gasthaus alleine weiterzuführen, aber
der Frieden von Utrecht machte mir einen Strich durch die Rechnung. Die Soldaten wurden abgezogen, und ich hatte kaum noch Gäste. Als meine Ersparnisse aufgebraucht waren, blieb mir nichts anderes übrig, als zu verkaufen.« Mary seufzte.
»Ich habe dann versucht, wieder in der Armee unterzukommen, was anderes hatte ich ja nicht gelernt. Ein Leben als alleinstehende Frau kam für mich nicht infrage. Du bist Freiwild, musst für jeden Stinker die Beine breit machen, damit du was zu beißen hast. Nein, das ist nichts für mich.« Sie machte eine Pause.
»Aber es war Frieden, und in der Armee gab es keinen Platz für mich, also habe ich auf der Juliana angeheuert, und jetzt bin ich hier. Und ich muss sagen, es gefällt mir ganz gut bei euch!«
Während Mary sprach, hatte Anne Mühe, eine aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Sie rannte zur Reling.
»Was ist denn mit dir? Hast einen empfindlichen Magen, was? Ich habe dich schon kotzen sehen, als ihr die Juliana gerade übernommen hattet.« Anne wischte sich mit dem Handrücken den Mund.
»Ich habe keinen empfindlichen Magen. Und an dem Tag ist mir nur schlecht geworden, weil dieser Mann mit dem zerplatzten Schädel genau vor meinen Füßen lag.« Sie würgte erneut.
»Keine Ahnung, was mit mir los ist, wahrscheinlich habe ich was Schlechtes gegessen. Kein Wunder, bei dem Fraß hier. Hast du die Maden gesehen? Das Brot wimmelt davon. Und bist du mal unten an den Fässern mit dem gesalzenen Fleisch gewesen. Da kann einem ja nur übel werden. Morgen ist es bestimmt vorbei.«
Aber am nächsten Tag ging es ihr noch schlechter. Schwach vor Schwindel, konnte sie sich kaum auf den Beinen halten und musste schon würgen, wenn sie nur in die Nähe der Kombüse kam.
»Leg dich in deine Hängematte und schlaf, dann geht’s dir besser«, sagte Rackham fürsorglich. Tatsächlich fühlte sie sich
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